Das Drama nahm in der 41. Schwangerschaftswoche seinen Lauf. Valentina Sacco aus Ettlingen kam zur Geburtseinleitung in die Klinik, wo ihr Sohn durch einen Notkaiserschnitt zur Welt kommt. Fünf Tage lang hoffte und bangte die Mutter um das Überleben ihres Kindes, dann wurden die Geräte abgeschaltet.
Sacco stimmte dem Vorschlag der Ethikkommission zu. „Ich hatte anfangs ein gesundes Kind, bei dem mit jedem Tag mehr Befunde befürchtet wurden“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Zuge der Geburtseinleitung hatte sich der Mutterkuchen von der Gebärmutterwand vorzeitig abgelöst. Eine Plazentaablösung ist eine seltene Schwangerschaftskomplikation, die beim Ungeborenen zu einer Minderversorgung, wie etwa einem Sauerstoffmangel führen kann, und auch die Mutter gefährdet.
Sie war dabei, als der Intensivpfleger ein Gerät nach dem anderen abschaltete. „Ich wurde an die Hand genommen, war bei jedem Schritt dabei“ erinnert sie sich. „Ich war dabei und stand neben mir, abgespalten“ beschreibt sie rückblickend.
In Deutschland wurden 2022 laut Statistischem Bundesamt (Wiesbaden) 3.247 Kinder tot geboren oder starben kurz nach der Geburt. Die Statistik erfasst „Sternenkinder“ mit einem Geburtsgewicht über 500 Gramm. Fehlgeburten bis zur 12. Schwangerschaftswoche werden nicht erfasst.
Die Klinikseelsorgerin an den ViDia Christliche Kliniken Karlsruhe, Anne Haab, bestätigt die relative Häufigkeit. „Es geschieht tatsächlich auch in ganz unauffälligen Schwangerschaften“, berichtete sie von totgeborenen Kindern, selbst im sechsten Monat der Schwangerschaft. Manche Schwangeren spürten plötzlich keine Kindesbewegungen mehr, weiß sie.
Die Pastoralreferentin begleitet die Frauen vor und nach der Fehlgeburt im Krankenhaus. „Viele Frauen wollen das tote Kind möglichst schnell durch einen Kaiserschnitt entfernt haben“, berichtet sie. Für den Körper der Frau und für den anschließenden Trauerprozess sei der natürliche Geburtsweg jedoch vorzuziehen.
Für die Eltern bleibt nur eine kurze Zeitspanne, um Erinnerungen zu schaffen: Berührungen, Abdrücke der Füße oder Hände, dem Kind einen Namen geben, einen Sternenkinderfotografen organisieren. Krankenhäuser unterstützen heutzutage den Beziehungsaufbau.
Das war nicht immer so. Früher bekamen Mütter ihre totgeborenen Kinder oft nicht einmal zu Gesicht. „Man dachte, je weniger Beziehung, desto weniger schmerzhaft der Verlust“, erinnert sich Haab. Doch das Gegenteil ist der Fall.
„Man kann nur etwas freigeben, was man gehabt hat“, sagt Elisabeth Deutscher vom Hospiz Karlsruhe. Ein Schatzkistchen mit Kleidung auch für die winzigsten Sternenkinder, Kuscheltiere, ein Bettchen können helfen, den kleinen Menschen gleichzeitig zu begrüßen und zu verabschieden. „Eine Totgeburt ist ein existenzieller Einschnitt“, betont die Trauerbegleiterin.
„Egal, wie es aussieht, auch wenn es verletzt ist. Das Kopfkino ist schlimmer als die Wirklichkeit“, sind sich Haab und Deutscher einig. Sie veranstalten seit fünf Jahren Trauerkurse für Eltern von Sternenkindern. Gerne angenommen wird auch eine Zeremonie zur Segnung der Kinder.
„Dies mache ich individuell im Gespräch und gestalte dann, wenn die Eltern es wünschen, eine kleine Segensfeier des Kindes. Gerne können Großeltern, Geschwister dazugekommen“, sagt die Seelsorgerin. Unterstützung und Informationen erhalten Eltern auch über die Selbsthilfegruppe „Sternenkinder Ettlingen“.
Neben Gesprächsrunden für Betroffene bietet die Gruppe als besonderes Angebot eine aufsuchende Akutbetreuung von der Diagnosestellung über die Beerdigung hinaus an. Drei Mütter betreut die Initiatorin der Selbsthilfegruppe, Sabine Tiedemann-Zöller, zurzeit im Traueralltag. „Die Eltern sind in einer akuten Stresssituation“, weiß sie.
„Jede Information muss dosiert zum richtigen Zeitpunkt kommen, teilweise mehrfach wiederholt werden“, beschreibt Tiedemann-Zöller, worauf sie gemeinsam mit der betreuenden Hebamme achtet. Wie lange die Trauerphase nach einer Fehl- oder Totgeburt dauert, ist individuell unterschiedlich.