“Mutig, stark, beherzt”: Unter diesem Motto hat der Evangelische Kirchentag in Hannover begonnen – bei bestem Sonnenschein. Das Christentreffen will gesellschaftliche und religiöse Akzente in unruhiger Zeit setzen.
Mit Gottesdiensten unter freiem Himmel hat am Mittwochabend in Hannover der 39. Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) begonnen. Bei strahlendem Sonnenschein fanden sich Zehntausende auf zwei zentralen Plätzen in der Innenstadt ein. Das Christentreffen dauert bis Sonntag und steht unter dem Motto “mutig, stark, beherzt”.
Bei der zentralen Eröffnung auf dem Platz der Menschenrechte äußerte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Wunsch, dass angesichts einer aktuellen “Flut schlechter Nachrichten” von dem Kirchentag eine Ermutigung ausgehe. “Zuspruch – das ist es vielleicht, was gerade heute die meisten von uns ersehnen und brauchen.” Christen hofften, dass die Zukunft offen bleibe und es eine Befreiung von Bedrängnissen der Gegenwart gebe.
Der Kirchentag ist laut Steinmeier auch der Ort, danach zu fragen, was die Menschen gemeinschaftlich und gesellschaftlich bewegt. Dabei gehe es um die Verständigung zwischen verschiedenen Lebenswelten, Herkünften und politischen Überzeugungen. Zudem werde über Bedrohungen des demokratischen Gemeinwesens gesprochen und wie es zu beschützen sei. “Damit ist der Kirchentag eben auch für unsere Gesellschaft ein wichtiger Ort.” Man müsste ihn erfinden, wenn es ihn nicht gäbe, sagte das Staatsoberhaupt.
Der gastgebende hannoversche Landesbischof Ralf Meister würdigte in der Predigt eine verändernde Kraft von Kirchentagen. Die Allmacht Gottes, die Christen anriefen, sei nicht so zu verstehen, dass er diese Welt zum Paradies verändere. “Gottes Stärke ist, dass er uns stark macht für Veränderungen.”
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) erinnerte daran, dass in Hannover der erste Kirchentag stattgefunden habe. Über Jahrzehnte sei eine großartige Bewegung entstanden, die Kirche und Gesellschaft wichtige Impulse gegeben habe. Angesichts der aktuellen Umbrüche und Veränderungen treffe das Motto “mutig, stark, beherzt” genau die Haltung, die auch die Gesellschaft jetzt brauche.
Der Politiker warnte vor Hasspredigern, die auf Basis von Verunsicherung ihr Geschäft verrichteten und die Schuld immer bei anderen suchten. Vielmehr gelte es, Probleme zu lösen und “uns gemeinsam in eine bessere Zukunft zu bringen”.
Der katholische Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer lobte die Zusammenarbeit zwischen evangelischer und katholischer Kirche in Niedersachsen. Dies hänge auch mit der Gastfreundschaft zusammen, die evangelische Christinnen und Christen in der Nachkriegszeit gezeigt hätten, als sie für die vielen katholischen Vertriebenen ihre Kirchentüren für Gottesdienste geöffnet hätten. “Das war beherzt! Und das klingt bis heute nach.” Aktuell arbeiteten beide Kirchen mit dem Land Niedersachsen zusammen, um einen christlichen Religionsunterricht in gemeinsamer Trägerschaft auf den Weg zu bringen. Dieser Unterricht werde “ein Zeichen dafür sein, dass wir gemeinsam stärker sind als alleine”.
Zum Gottesdienst war der Platz der Menschenrechte in Hannover voll. Manche machten es sich auf der Wiese am Rand im Sonnenschein gemütlich. So mancher schützte sich mit Hut und Brille vor den Strahlen – oder funktionierte kurzerhand den roten Mottoschal des Kirchentags zum Sonnenschutz um.