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Steiniger Weg führte Frauen in kirchliche Ämter

Studie ergänzt den Gleichstellungsatlas der EKD von 2015. Quasi Landkarte der Entwicklungen in den Landeskirchen

„Ach, du bist Pfarrerin? – Evangelisch oder katholisch? Ach, katholisch geht ja gar nicht…“ – diese Reaktion kennen viele Pfarrerinnen. In der Evangelischen Kirche in Deutschland können Frauen und Männer gleichermaßen und gleichberechtigt den Pfarrberuf ausüben. Heute gehören Pfarrerinnen und Pastorinnen in Deutschland zum Profil der evangelischen Kirche. Frauen im geistlichen Amt sind ein evangelisches Merkmal.
Der Weg dorthin war lang, bewegt und insbesondere für die Frauen, die ihn als erste gingen, oft steinig. Trotzdem sind sie ihn gegangen, weil es der Weg war, auf den sie sich berufen wussten. Über verschiedene Stationen führte er 1974 in Westfalen schließlich zur rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern im Pfarramt. Damit zählt Westfalen zu einer der ersten Landeskirchen, die einen Synodenbeschluss zur vollen rechtlichen Gleichstellung von Pfarrerinnen und Pfarrern fasste. In Westfalen wurde das 40. Jubiläum vor drei Jahren gefeiert: Eine Ausstellung zur Theologinnengeschichte wanderte durch die Landeskirche, eine Tagung fand statt und unter dem Titel „Mein Gott, was haben wir viel gemacht!“ erschien ein Buch mit Schlaglichtern der Theologinnengeschichte ab 1974.
Eine umfassende Aufarbeitung der Gleichstellung im geistlichen Amt gibt es in Westfalen noch nicht. Diese Geschichte ist noch nicht geschrieben, weder in unserer Landeskirche, noch in einer anderen, geschweige denn landeskirchenübergreifend. Aber es gibt eine Menge Wissen und Material.
Vor Kurzem erschien eine Veröffentlichung des Genderstudienzentrums der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Kooperation mit der Konferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in den EKD-Gliedkirchen, die den aktuellen Wissensstand zu diesem Thema zusammenstellt. Als Ergänzungsband zum Gleichstellungsatlas der EKD von 2015 herausgegeben, liegt nun ein erster EKD-weiter Überblick über die bisherige Aufarbeitung der Geschichte in den Landeskirchen vor und so unter anderem eine Antwort auf die Frage: Welche Bücher, Broschüren und Ausstellungen gibt es eigentlich zu dem Thema?
Der Ergänzungsband gibt Impulse zur Geschichte der rechtlichen Gleichstellung im Pfarramt und rückt damit das Thema Frauenordination im Jahr des Reformationsjubiläums bewusst ins Zen­trum der Aufmerksamkeit. Denn mit der reformatorischen Lehre vom Priestertum aller Getauften wurde der Weg für Frauen ins Pfarramt überhaupt erst denkbar – auch wenn der Gedanke für Luther selbst wohl keine Rolle spielte. Die Ordination ins Pfarramt unabhängig vom Geschlecht ist die theologisch konsequente Fortführung dieses zentralen Gedankens Luthers.
Auf dem Weg dahin gab es Unterschiede in den einzelnen Landeskirchen. So schloss Carola Barth 1907 als erste Frau in Jena ein Theologiestudium ab – in Westfalen waren Frauen erst ab 1908 überhaupt zum Theologiestudium zugelassen. Hannover hob das Zölibat für Frauen 1969 auf, Westfalen 1972 und Oldenburg zum Beispiel erst 1981.
Der Ergänzungsband listet die Meilensteine für jede der Gliedkirchen auf und gibt so einen Überblick über die Vielfalt der historischen Entwicklungen und Unterschiede. Wer war eigentlich beteiligt? Wer sind die Gesichter hinter den Synodenbeschlüssen, Verhandlungen und Wegmarken? Jede Landeskirche hat eine Frau ausgewählt, die sich für die Gleichstellung eingesetzt hat oder die als Erste eine Funktion übernommen hat.
Entstanden ist eine Landkarte mit vielen Gesichtern von Frauen. Der Beginn ihrer Tätigkeiten erstreckt sich von den 1920er Jahren bis in die Gegenwart. Für Westfalen wurde Präses Annette Kurschus ausgewählt. Ihre Wahl zur ersten weiblichen leitenden Geistlichen der Evangelischen Kirche von Westfalen ist ein wichtiges Datum, wenn es darum geht, die Geschichte der Theologinnen in Westfalen zu erzählen.
Nicht zuletzt geht der Blick über den Tellerrand hinaus. Denn weltweit gibt es noch zahlreiche protestantische Kirchen, in denen Frauen nicht ordiniert werden. Erst im vergangenen Jahr sorgte der Synodenbeschluss der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands zur Abschaffung der Frauenordination für Empörung und Sorge. Präses Kurschus, wie auch der Ratsvorsitzende der EKD Heinrich Bedford-Strohm und weitere leitende Geistliche kritisierten diesen Beschluss scharf.
In ihrer Stellungnahme solidarisierte sich Präses Kurschus mit den lettischen Kolleginnen und erinnerte dabei an das Jubiläum der rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern im Pfarramt im Jahr 2014:

„Die Evangelische Kirche von Westfalen hat vor zwei Jahren das vierzigste Jubiläum der vollen rechtlichen Gleichstellung von Frauen und Männern im Pfarramt gefeiert. Wie alle Kirchen, die sich ernsthaft auf diesen – unumkehrbaren – Weg eingelassen haben, hat auch unsere Kirche erfahren, dass dadurch das Zeugnis des Evangeliums hörbarer und glaubwürdiger, der Segen Gottes spürbarer und die Gemeinschaft kräftiger und lebendiger geworden ist. Meine Solidarität gilt den lettischen Kolleginnen im Pfarramt, die von der Kirche, die sie einst berief und ordinierte, nun mit ihrer Arbeit und ihren Lebensgeschichten ins Unrecht gesetzt wurden.“

Der Ergänzungsband würdigt den unumkehrbaren Weg, den die EKD-Gliedkirchen in den letzten rund 100 Jahren gegangen sind und stellt dieses Erkennungsmerkmal unserer Kirche im Jahr des Reformationsjubiläums ins Zentrum. Er ist zu beziehen über das landeskirchliche Frauenreferat: Telefon (0 23 04) 75 52 30.