Er ist wohl der einzige Minister a. D., den die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) je in ein Dienstverhältnis übernommen hat. Jetzt verlässt Steffen Reiche seine Pfarrstelle in Berlin-Nikolassee, obwohl die Gemeinde ihn noch gern behalten hätte. Mit 62 Jahren tritt Reiche in den vorzeitigen Ruhestand, um als Auslandspfarrer auf Teneriffa tätig zu werden.
Vom Bürgerrechtler zum Minister
Steffen Reiches Berufsweg ist außergewöhnlich: Nach einem Studium der Theologie, in dessen Verlauf er noch eine Lehre als Tischler machte, wird er nach der Ordination durch Bischof Gottfried Forck (1923–1996) Pfarrer in Christinendorf in Teltow- Fläming. 1987 schloss er sich der Bürgerrechtsbewegung in der DDR an; 1989 gründet er die Sozialdemokratische Partei in der DDR (SDP) in Schwante mit.
1990 wurde Reiche Mitglied der Volkskammer der DDR und kurz darauf Landesvorsitzender des neu gegründeten Landesverbandes der SPD Brandenburg. Von da war es nicht weit zum Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Das Amt übte Steffen Reiche von 1994 bis 1999 aus und setzte es in der Verantwortung für Bildung, Jugend und Sport in Brandenburg bis 2004 fort – mit Erfolg und beliebt bei den Mitarbeitenden des Ministeriums.

Er soll einmal für die ganze Belegschaft vorzügliches Essen zubereitet haben. Und ihm gelang es, bei Mitarbeiterfesten zum gemeinsamen Singen und Tanzen zu animieren. Auch an der Aushandlung des Staatsvertrags zur Länderneugliederung war er beteiligt. Damals war Klara Geywitz, die heutige Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, für Reiche tätig. Er selbst machte nach seinem Ausscheiden weiter Politik als Mitglied des brandenburgischen Landtags und des Deutschen Bundestags.
2009 ging es zurück ins Pfarramt
2009 folgt etwas abrupt der Abbruch der Politkarriere: Er war bei der Bundestagswahl von seiner Partei nicht über die Landesliste abgesichert worden. Reiche entschloss sich, in seinen Beruf als Pfarrer zurückzukehren: Dass bei hohem Engagement Reibung entstehen kann, musste der Theologe in der Epiphaniengemeinde in Berlin-Charlottenburg erfahren.
Der Staatsdiener werde zu einem Gemeindediener, zitierte der Berliner Tagesspiegel im August 2009 den Superintendenten Carsten Bolz, der Reiche als neuen Pfarrer einführte. Doch dieser blieb nur etwa ein Jahr. Der gesamte Gemeindekirchenrat (GKR) trat zurück, weil Reiche und der zweite dort tätige Pfarrer im Streit lagen. „Zwei total unterschiedliche Persönlichkeiten“, urteilt der heutige GKR-Vorsitzende Uwe Goetze.
Wortstarker Prediger und leitender Theologe
In seinem nächsten Amt in Berlin-Nikolassee fand Reiche 2012 eine Gemeinde vor, die gespalten schien. Über die Jahre gelang es ihm, Parteiungen zu überwinden. Intensive Seelsorge und beeindruckende Gottesdienste festigten den Ruf des wortstarken Predigers. Im Dezember 2022 ehrte Reiche zusammen mit der Gemeinde bei einer ganztägigen Gedenkveranstaltung zum 80. Todestag Johanna und Jochen Klepper, die sich zusammen mit ihrer Tochter 1942 das Leben genommen hatten.