Artikel teilen

Starke Zunahme von Besuchern an hessischen NS-Gedenkstätten

Die Besucherzahlen an hessischen NS-Gedenkstätten sind im vergangenen Jahr stark gestiegen. Die Gedenkstätte Hadamar (Landkreis Limburg-Weilburg) habe knapp 23.000 Besucherinnen und Besucher verzeichnet gegenüber 15.400 im ausklingenden Pandemiejahr 2022, sagte die pädagogische Leiterin Judith Sucher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die meisten Besucher gehörten Gruppen an, die ein pädagogisches Angebot wahrnahmen. Damit wurde 2023 die Besucherzahl vor der Corona-Pandemie im Jahr 2019 (knapp 22.100) übertroffen.

Auch in der NS-Gedenkstätte Breitenau in Guxhagen (Schwalm-Eder-Kreis) ist im vergangenen Jahr der Besuch stark gestiegen. Knapp 8.100 Personen hätten die Gedenkstätte besucht gegenüber knapp 6.300 im Jahr 2022, sagte die Leiterin Ann Katrin Düben dem epd. Mehr als 3.400 Personen seien individuelle Besucher gewesen, die Mehrzahl sei mit rund 200 Gruppen von Schülern, Auszubildenden, Studierenden oder Gewerkschaftern gekommen. Vor der Corona-Pandemie 2019 hatten 5.300 Personen die Gedenkstätte Breitenau besucht.

Beide Gedenkstätten berichteten jeweils von einem Zwischenfall im vergangenen Jahr. In Breitenau habe ein Schüler während einer Gruppenführung „extrem rechte Parolen verbreitet und sich stolz über seine nationalsozialistischen Vorfahren geäußert“, sagte Düben. In Hadamar hat es nach den Angaben von Sucher einen Eintrag im Besucherbuch mit „antisemitischem sowie NS-relativierendem Inhalt“ gegeben. Der Vorfall habe sich nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober auf Israel ereignet, aber eine direkte Reaktion auf den Krieg in Gaza sei nicht geäußert worden.

Von einer Reaktion auf den Krieg berichtete die Leiterin von Breitenau. In den ersten Wochen nach dem 7. Oktober hätten einige Seminarteilnehmer die Mitarbeit verweigert, sagte Düben. Ein Zusammenhang lasse sich nicht mit Sicherheit bestimmen, da die Verweigerung nicht begründet worden sei. In einem Fall seien jedoch Zeichnungen mit der Parole „Free Palestine“ auf den Gedenkstätten-iPads hinterlassen worden.

In der früheren Landesheilanstalt in Hadamar starben im Rahmen des NS-„Euthanasie“-Mordprogramms von 1941 bis 1945 rund 10.000 Menschen in der Gaskammer, weitere 4.500 wurden entweder mit Giftspritzen getötet oder sie verhungerten. In Breitenau hatten die Nationalsozialisten in Gebäuden des ehemaligen Klosters, das bereits als Gefängnis genutzt wurde, von Juni 1933 bis März 1934 rund 470 politische Gegner und Juden inhaftiert. Im Zuge der Novemberpogrome 1938 wurden wieder Juden festgehalten, Ende 1939 richtete die Gestapo ein Gefängnis ein. Von Mai 1940 bis März 1945 diente Breitenau der Gestapo als „Arbeitserziehungslager“. Die meisten der 8.300 Gefangenen waren ausländische Zwangsarbeiter.