Vor der angekündigten persönlichen Erklärung der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat die Westfälische Kirchenleitung ihr den Rücken gestärkt. Michael Bertrams, Mitglied in der Leitung der Evangelischen Kirche von Westfalen, schreibt im “Kölner Stadt-Anzeiger” (Samstag online), er halte “die Vorwürfe gegen Kurschus und insbesondere Rücktrittsforderungen für unangemessen”.
Kurschus (60) wehrt sich gegen Recherchen der “Siegener Zeitung”, wonach sie als Gemeindepfarrerin in Siegen schon Ende der 1990er Jahre über Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen einen Kirchenmitarbeiter informiert gewesen sein, diese aber nicht gemeldet habe. Dass sie sich daran nicht erinnern könne, sei nicht glaubhaft, so der Vorwurf. Seit 2012 ist Kurschus Präses und damit leitende Geistliche der Evangelischen Kirche von Westfalen. 2021 wurde sie zusätzlich an die Spitze des EKD-Rates gewählt.
Bertrams betonte: “Ich bin mir darüber im Klaren, dass eine Berufung auf fehlende Erinnerung in der öffentlichen Wahrnehmung – nicht erst seit dem Fall Woelki in Köln – einen bitteren Beigeschmack hat.” Das dürfe jedoch nicht dazu führen, “derjenigen, die erklärt, sich bei bestem Willen nicht erinnern zu können, von vornherein und ausnahmslos die Glaubwürdigkeit abzusprechen”.
In fester Überzeugung von ihrer Glaubwürdigkeit und Integrität sei es ihm “ein großes Bedürfnis, Annette Kurschus in voller Übereinstimmung mit sämtlichen Mitgliedern der Kirchenleitung öffentlich meine und unser aller Solidarität zu bekunden”, betont Bertrams. Er war von 1994 bis 2013 Präsident des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen und des Oberverwaltungsgerichts in Münster. Bertrams gehört seit 2012 als gewähltes nebenamtliches Mitglied der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche von Westfalen an.
Kurschus will sich am Montag um 11.00 Uhr in Bielefeld an die Öffentlichkeit wenden. Bei der EKD-Synode zu Beginn der vergangenen Woche in Ulm hatte die Geistliche dem Bericht der “Siegener Zeitung” widersprochen: Sie habe erst zu Beginn dieses Jahres von dem Fall erfahren. Die Zeitung beruft sich hingegen auf zwei Zeugen, wonach mit Kurschus vor Jahrzehnten in ihrem Garten über die Vorwürfe gegen den Mann gesprochen worden sei. Beide bekräftigten ihre Aussagen demnach mit eidesstattlichen Versicherungen.