Mit einer Postkartenaktion will das Kita-Aktionsbündnis in Schleswig-Holstein den Druck auf die Landespolitik erhöhen. „Wir rufen Eltern und Kita-Beschäftigte dazu auf, den 69 Landtagsabgeordneten 32.000 Postkarten zu senden und sie einzuladen, Kitas in ihrem Wahlkreis zu besuchen und das geplante Kita-Gesetz einem Praxischeck zu unterziehen“, sagte Anette Langner von der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände am Donnerstag in Kiel. In der kommenden Woche berät der Landtag über eine Novelle des Kitagesetzes, das dem Bündnis zufolge zu Qualitätseinbußen in den Kitas führen werde.
Im Frühjahr 2024 war bekannt geworden, dass im Kita-System eine Finanzierungslücke von 120 Millionen Euro klafft. Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) hatte angekündigt, die Lücke nun schließen zu wollen. „Das sehen wir in dem Gesetzentwurf aber nicht“, sagte Langner. Stattdessen werde versucht, etwa durch die Deprofessionalisierung von Personal, Kosten einzusparen. „Das Gesetz schreibt einerseits hohe Qualitätsstandards vor, andererseits ist die Finanzierung nicht ausreichend gewährleistet“, erklärte Langner. Zudem fehlten im Land nach dem Rechtsanspruch immer noch 15.000 Kitaplätze, die in den Berechnungen noch nicht enthalten seien.
Für den Sprecher des Bündnisses, Markus Potten, wäre es fatal, an der Qualität der Kitas zu sparen. Sie legten den Grundstein für eine erfolgreiche Schul- und Berufskarriere. Eine reine Betreuung der Kinder reiche nicht. Fachkräfte müssten sich auch individuell mit den Kindern beschäftigen können, sonst müssten die Schulen auffangen, was in den Kitas verpasst worden sei. „Wir können froh sein, dass wir uns in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren in Bezug auf die Qualität in den Kitas in die Bundesliga hochgearbeitet haben. Jetzt müssen wir aufpassen, nicht wieder in die Kreisliga abzurutschen.“
Der Druck auf die Fachkräfte in den Kitas ist nach Angaben von Bernd Schauer von der Bildungsgewerkschaft GEW schon jetzt enorm. Einer GEW-Umfrage unter 1.400 Erzieherinnen und Erziehern in Schleswig-Holstein zufolge fühlten sich 91 Prozent überlastet. „Die Erwartungen sind zu hoch und die Rahmenbedingungen stimmen nicht. Nach fünf Jahren verlassen die meisten den Beruf. Der Gesetzentwurf wird dazu beitragen, weitere zu verscheuchen.“ Eine Bertelsmann-Studie habe gezeigt, dass die krankheitsbedingten Ausfallzeiten von Kita-Personal im Jahr 2023 in Schleswig-Holstein bei durchschnittlich 32 Tagen gelegen hätten. Das geplante Kita-Gesetz sehe jedoch nur 15 Ausfalltage vor.
Dem Bündnis ist es wichtig, mit den Abgeordneten ins Gespräch zu kommen. „Wir wollen nicht als die Nörgler gelten, sondern unsere Sicht erklären“, sagte Potten. Langner erklärte, ihr Traum sei ein langfristiger Plan für die Kita-Entwicklung. „Wenn das Geld nicht auf einmal zur Verfügung gestellt werden kann, geht es vielleicht in kleinen Schritten. Aber Politiker denken ja leider nur kurzfristig, in Legislaturperioden“, kritisierte Langner.
Das Kita-Aktionsbündnis besteht aus der Landeselternvertretung für Kindertageseinrichtungen (LEV), den Gewerkschaften GEW, ver.di und der Kirchengewerkschaft, dem Kinderschutzbund Schleswig-Holstein, der Landes-Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände (AWO, DRK, Diakonie, Paritätischer und Caritas), den Trägerverbänden Forum Sozial und Lebenshilfe Schleswig-Holstein sowie dem Verband Evangelischer Kindertageseinrichtungen in Schleswig-Holstein (VEK).