Ukraines Präsident Selenskyj begrüßt ein neues Gesetz zum Verbot von Kirchenstrukturen, die mit Russland verbunden sind. Das russische Außenministerium spricht von einem “schweren Schlag für die gesamte Orthodoxie”.
Das ukrainische Parlament hat am Dienstag grünes Licht für ein Verbot von Gliederungen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) gegeben, die mit dem Moskauer Patriarchat verbunden sind. Die Regierung warf der Kirche unter dem Kiewer Metropoliten Onufrij vor, ihre Bindung an die russisch-orthodoxe Kirche nicht aufgelöst zu haben und in Russlands Angriffskrieg ein Einflussinstrument Moskaus in der Ukraine zu sein.
Die Kirche hatte sich im Mai 2022 vom Moskauer Patriarchat losgesagt und weist die Anschuldigungen zurück. Mehrere Kleriker wurden jedoch zuletzt wegen des Vorwurfs der Kollaboration verurteilt. 265 Abgeordnete billigten den Gesetzentwurf, der ein Verbot von Kirchengliederungen vorsieht, wenn deren Machtzentrum in einem Land liegt, das die Ukraine militärisch angegriffen hat. 226 Stimmen wären notwendig gewesen. 29 Abgeordnete lehnten den Entwurf ab.
Präsident Wolodymr Selenskyj muss das Gesetz noch unterzeichnen, damit es in Kraft treten kann. In einer Videobotschaft lobte das Staatsoberhaupt, das Parlament habe ein “Gesetz über unsere spirituelle Unabhängigkeit verabschiedet”. Diese Initiative habe er mit Mitgliedern des Gesamtukrainischen Rates der Kirchen und Religionsgemeinschaften besprochen. Demnächst will Selenskyj weitere Schritte mit Vertretern des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., diskutieren.
Die Leitung der UOK kommentierte das Parlamentsvotum zunächst nicht. Das russische Außenministerium veröffentlichte eine Stellungnahme ihres Sonderbeauftragten für die Achtung der Religions- und Glaubensfreiheit, Gennadij Askaldowitsch. Er bezeichnete die Annahme des Gesetzes als “schweren Schlag für die gesamte Orthodoxie” und als Bedrohung für die kirchliche Einheit. “Zum ersten Mal sind wir Zeugen eines Ereignisses, bei dem eine ganze religiöse Konfession auf dem Territorium eines europäischen Staates verboten wird”, so Askaldowitsch.
Die russisch-orthodoxe Kirche befürchtet nach eigenen Angaben nun Übergriffe auf ihren ehemaligen ukrainischen Zweig. “Die Umsetzung dieser Entscheidung wird zu massenhaften Gewalttaten gegen Millionen von Gläubigen führen”, schrieb der Sprecher des Moskauer Patriarchats, Wladimir Legoida, im Online-Dienst Telegram. Das verabschiedete Gesetz verurteilte er als “grobe Verletzung der Grundsätze der Gewissensfreiheit und der Menschenrechte”.
Das angenommene Gesetz sieht kein Verbot der UOK als Ganzes vor. Gerichte müssten vielmehr auf Antrag der für Religionsgemeinschaften zuständigen Behörde jede der knapp 10.000 Kirchengemeinden und anderen Strukturen der UOK einzeln prüfen und jeweils separat über ein Verbot entscheiden.
Parlamentarier bezeichneten die Parlamentsentscheidung als “historisch”. Ex-Staatspräsident Petro Poroschenko sprach von einem “weiteren Schritt zur Stärkung der nationalen Sicherheit, zur Einigung der ukrainischen Gesellschaft und zur Durchsetzung der nationalen Unabhängigkeit”.
Der Gesetzentwurf wird von vielen Glaubensgemeinschaften in der Ukraine unterstützt. Der Gesamtukrainische Rat der Kirchen und Religionsgemeinschaften bekräftigte nach einem Treffen mit Selenskyj in der vergangenen Woche, in der Ukraine dürfe keine Organisation tätig sein, “die ihr Zentrum in einem Land hat, das eine militärische Aggression gegen unser Volk begangen hat, und vom Aggressorstaat geführt wird”.
In der Ukraine steht die UOK in Konkurrenz zur Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU), die von der Regierung unterstützt wird. Die OKU wurde Ende 2018 als Zusammenschluss des nach der staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine entstandenen Kiewer Patriarchats und einer kleineren Kirche gegründet. Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, hatte ihr Anfang 2019 die Autokephalie (Unabhängigkeit) verliehen. Er hatte sich damals eine Wiedervereinigung der ukrainischen Orthodoxie gewünscht. Beobachter halten es für möglich, dass Kiew nun auf eine Vereinigung der UOK mit der OKU drängt.