Berlin – Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hat die beiden großen Kirchen für Antisemitismus in Deutschland mitverantwortlich gemacht. „Das ist ein über Generationen tradierter Antisemitismus. Da haben sicherlich beide christlichen Kirchen eine Mitschuld“, sagte Schuster dem Berliner „Tagesspiegel“. Über Jahrhunderte sei von Kanzeln Judenfeindlichkeit gepredigt worden, sagte der Zentralratspräsident weiter: „Auf diesem Boden hat nationalsozialistische Propaganda gut gefruchtet.“
Der bisherige religionspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, forderte die Kirchen dazu auf, ihre Verantwortung bei der Bekämpfung des Antisemitismus zu erkennen und entschlossener zu handeln. „Dies ist kein Thema der vergangenen Jahrhunderte, sondern mit Überwindungstheologie, Judenmission und einer falsch verstandenen antiisraelischen Palästinensersolidarität mancher christlicher Friedensgruppen nicht nur auf jedem Kirchentag wieder zu besichtigen“, erklärte Beck in Berlin. Insofern habe Schuster recht, wenn er auf die antijudaistische Tradition des Christentums verweise. „Das schleichende Gift des Antizionismus und Antisemitismus muss von den Kirchen breiter und intensiver bekämpft werden“, forderte der Grünen-Politiker.
Zentralratspräsident Schuster kritisierte im Interview mit dem „Tagesspiegel“ auch, dass Antisemitismus im Alltag in Deutschland wenig problematisiert werde. „Wir hatten in der deutschen Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten konstant 20 Prozent, die antijüdische Ressentiments haben.“ Vor einigen Jahren habe eine Untersuchung ergeben, dass jeder vierte Deutsche keinen jüdischen Nachbarn haben will. Dieses Gedankengut sei tief verwurzelt bei einem Teil der Bevölkerung. „Ich bin nicht so optimistisch, zu glauben, dass sich daran etwas ändern wird“, sagte Schuster.
Zu befürchten sei zudem, dass die AfD in Zukunft Stimmung gegen Juden machen könnte. Im Moment attackiere die Partei vorwiegend Muslime. Künftig könne es auch andere Minderheiten treffen, dazu zählten Juden, sagte der Zentralratspräsident.
Auch Antisemitismus unter einigen Flüchtlingen und Muslimen bereitet Schuster Sorgen. Er sprach sich dafür aus, die Wissensvermittlung in Integrationskursen für Flüchtlinge etwa über die Schoah oder über Israel zu verbessern. Zudem forderte er Sanktionen für Flüchtlinge, die gegen deutsche Werte verstoßen: „Wer unsere gesellschaftlichen Normen massiv verletzt, dem muss man ein deutliches Zeichen setzen.“ Zu solchen Verstößen zählten etwa antijüdische Äußerungen oder die Unterdrückung von Frauen. Als Sanktion für denkbar hält Schuster die Kürzung von Sozialleistungen. epd
Artikel teilen:
Schuster gibt Kirchen Mitschuld
Zentralratspräsident befürchtet Stimmungsmache der AfD gegen Juden