Das Kreuz um den Hals wurde der Berliner Lehrerin verboten. So steht es nämlich im Berliner Neutralitätsgesetz von 2005: Lehrer, Polizisten und Justizbedienstete dürfen im Dienst keine religiösen Symbole tragen – also weder Kopftuch noch Kippa oder Kruzifix. Ausgenommen sind Berufsschulen, weil die Schülerinnen und Schüler dort älter sind und als weniger beeinflussbar gelten.
Die Lehrerin beugte sich der Anweisung ihrer Schule, trägt aber seitdem einen stilisierten Fisch als Halsschmuck. Dieser gilt in der Version mit zwei gekrümmten Linien, die sich hinten zu einer Flosse kreuzen, ebenfalls als christliches Symbol. Eigentlich ein geschicktes Manöver. Jetzt aber überlegt die Schulbehörde, ob sie auch den Fisch verbieten soll. Glaube, egal welcher Richtung, gehört nicht in eine Schule, so das Argument.
Um religiöse Symbole in der Schule wird schon lange gestritten, nicht nur in Berlin. In acht von 16 Bundesländern ist etwa das muslimische Kopftuch bei Lehrerinnen verboten. Damit will der Staat als Arbeitgeber Schulkinder vor religiöser Beeinflussung schützen. Manche Bundesländer haben gleichzeitig Ausnahmeregelungen für christliche Symbole gewährt (und wurden inzwischen vom Bundesverfassungsgericht gerügt); Berlin hat das ausdrücklich nicht getan.
Aber ist das der richtige Weg? Kinder und Jugendliche werden doch außerhalb der Schule allenthalben mit der Verschiedenartigkeit von Glaubensüberzeugungen konfrontiert. Das fängt in der Familie an, setzt sich im Freundeskreis fort und ist im Fernsehen, beim Einkaufen, auf dem Spielplatz und im Internet überall erkennbar: Hier ein Kreuz auf einer Kirche, dort ein Halbmond auf einer Moschee; auf der Straße Menschen mit Kopftuch, Ordenstracht, Turban, Kippa, Gebetskette, Kreuz- oder Davidstern-Schmuck. Sie präsentieren ihre Glaubensüberzeugung – und sie können das tun, weil in Deutschland Religionsfreiheit herrscht. Warum sollte man dieses hohe Rechtsgut ausgerechnet in den Schulen ausklammern?
Besser wäre es, die Vielfalt der Religionen auch bei Lehrerinnen und Lehrern selbstverständlich sichtbar zu machen und den Schülerinnen und Schülern damit zu zeigen: Hier sind Menschen verschiedenen Glaubens, die gerade keine Fanatiker sind. Sie unterrichten Mathe, Sprachen, Sport, Geschichte oder Politik, ohne dass ihr Glaube sie dabei beeinträchtigt. Sie beantworten Fragen, fördern Begabungen, diskutieren, schlichten Streit, kümmern sich um Schwächere, egal, ob sie Kopftuch, Davidstern oder Kreuz tragen.
Genau an dieser Glaubenshaltung sollte ein Staat doch Interesse haben, weil sie ein friedliches, tolerantes Zusammenleben in der Gesellschaft ermöglicht. Wo könnte sie besser vorgelebt werden als bei denen, die für die Bildung von Kindern und Jugendlichen ausgebildet sind?
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Schule der Toleranz
Werden Jugendliche beeinflusst, wenn ihre Lehrerin ein Kopftuch trägt oder ihr Lehrer ein Kreuz um den Hals? Wahrscheinlich schon – aber das ist gut für ein friedliches Zusammenleben