Köln/Wülfrath (epd). Als die Schulleistungen ihres Sohnes immer weiter absackten, reagierte Heidemarie Brosche zunächst so wie viele Eltern: Alles Zureden half aus ihrer Sicht nichts, also gab es laute Auseinandersetzungen und Vorhaltungen. «Das war falsch», weiß die Lehrerin und Autorin mehrerer Elternratgeber zum Thema Schule und Pubertät heute. Denn damit erreiche man bei Pubertierenden rein gar nichts. Und Strafen hätten erst recht keinen Sinn.
In der Pubertät rutschen bei vielen Schülern die Noten in den Keller, die Eltern sorgen sich um die Zukunft ihrer Sprösslinge.
«Viele Eltern üben dann Druck auf die Kinder aus. Die dürfen dann nicht mehr raus oder bekommen Handy-Verbot», beobachtet Albrecht Schniewind, Leiter der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche der Bergischen Diakonie. Doch das bringe letztlich keinen Erfolg.
Strafen erzeugten bei Pubertierenden eher Widerstand, beobachtet auch Theresia Wieck vom Schulpsychologischen Dienst der Stadt Köln.
In der Pubertät strebten Jugendliche nach Autonomie von den Eltern und seien auf der Suche nach einer eigenen Identität. Strafen empfänden sie als bloße Machtdemonstration der Eltern. Sie fühlten sich nicht ernst genommen und machten dann erst recht nicht mehr mit.
Dass Strafen bei Teenagern nicht funktionieren, beobachten nicht nur Schulpsychologen in ihrer täglichen Praxis immer wieder. Neuere neurowissenschaftliche Studien belegen sogar, dass Pubertierende offenbar gar nicht in der Lage sind, aus negativem Feedback zu lernen. Das zeigt etwa ein Experiment von Wissenschaftlern um Stefano Palminteri vom University College in London.
Dabei mussten Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren sowie Erwachsene in einem Spiel zwischen wiederkehrenden Symbolen auswählen. Bestimmte Symbole waren mit hohen Gewinnchancen verknüpft, andere mit dem Risiko des Punktabzugs. Die erwachsenen Teilnehmer lernten gleich gut aus den positiven sowie negativen Erfahrungen mit den Symbolen. Im Gegensatz dazu konnten sich die Jugendlichen lediglich die Symbole mit Gewinnchancen gut merken, nicht aber die Zeichen mit dem Risiko eines Punktabzugs.
Die Ursache dafür liege vermutlich in Umbauprozessen des Gehirns während der Pubertät, mutmaßen die Wissenschaftler. Für den Umgang mit Teenagern könnten die Ergebnisse von Bedeutung sein, schreiben sie. «Denn sie legen nahe, dass Jugendliche beim Lernen stärker von positivem als von negativem Feedback profitieren.» Das heißt: Belohnungen haben auf Pubertierende eine weitaus größere Wirkung als Strafen.
Viele Eltern fragen sich jedoch: Wie sollen Erfolg und Belohnung funktionieren, wenn das Kind die Leistung verweigert? «Schüler wollen sich als selbstwirksam erleben», sagt Psychologin Theresia Wieck.
Besser als Strafen sei es, den Jugendlichen in die Verantwortung zu nehmen und mit ihm gemeinsam Ziele und einzelne Schritte dorthin zu definieren, damit er wieder Erfolgserlebnisse haben könne. Wichtig sei, dass Eltern auch kleine Fortschritte anerkennen und dem Kind dann ein positives Feedback geben. Wenn das Kind sich bemühe und es wieder etwas besser laufe, könnten Eltern das auch belohnen.
Pädagogin Brosche aus dem bayerischen Friedberg rät, trotz allen Ärgers in der Schule weiterhin gemeinsam Dinge zu unternehmen, die Spaß machten. Ganz wichtig sei es, zwischen dem Ärger über die schlechten Noten und der Liebe zu dem Kind zu trennen. «Man sollte dem Kind zeigen, dass man es trotz der schlechten Schulnoten klasse findet und darauf vertraut, dass etwas aus ihm wird.»
Das bedeutet nicht, dass Eltern alles durchgehen lassen müssen.
Allerdings sollten ihre Maßnahmen keine Strafen sein, sondern nachvollziehbare Konsequenzen zum Schutz der Kinder, sagt Schniewind.
So habe etwa ein generelles Handy-Verbot als Strafe wenig Sinn und erzeuge nur Aggression. Hingegen könnten die Eltern beispielsweise nachts das Handy des Kindes an sich nehmen und ihm erklären, dass sie das tun, damit es den Schlaf bekommt, den es braucht.
Die Experten raten einmütig zu Gelassenheit, auch wenn das Kind ein Schuljahr wiederholen müsse oder gar der erstrebte Schulabschluss nicht erreicht werde. Es gebe genügend Möglichkeiten der Weiterbildung. «Bei den meisten fällt irgendwann der Groschen», beobachtet Schniewind. – Eine Erfahrung, die auch Heidemarie Brosche mit ihrem Sohn machte. Der musste wegen seines Durchhängers in der Pubertät zwar ein Schuljahr wiederholen. «Inzwischen hat er aber zwei Studienabschlüsse und einen guten Job.»