Artikel teilen

Scholz: Noch “sehr, sehr gefährliche Situation” in Syrien

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält eine Rückkehr syrischer Geflüchteter in deren Heimat für verfrüht. Noch gebe es in dem Land eine „sehr, sehr gefährliche Situation“, sagte Scholz am Dienstagabend in den ARD-„Tagesthemen“ zum Sturz des Diktators Baschar al-Assad durch die islamistische Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) vor wenigen Tagen.

Deutschland müsse zusammen mit anderen Staaten alles dafür tun, dass ein demokratisch geführtes Land entsteht, in dem Menschen unterschiedlicher Religionen gut zusammenleben können. „Vielleicht, wenn es gut geht, werden ja viele von sich aus sagen, dass sie am Wiederaufbau ihres Landes mit teilhaben wollen“, sagte Scholz. Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer indes hält das für unwahrscheinlich, viele Syrerinnen und Syrer sähen ihre Zukunft in Deutschland.

Wegen des Bürgerkrieges in Syrien, der 2011 mit einem Volksaufstand gegen das Assad-Regime begonnen hatte, waren Hunderttausende aus dem Land nach Deutschland geflohen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums leben knapp eine Million aus Syrien stammende Menschen in Deutschland.

Nach Einschätzung des Migrationsforschers Oltmer ist eine größere Rückkehrwelle nicht zu erwarten. Es werde sicher einige Rückkehrwillige geben, wenn sich die Lage in Syrien stabilisieren sollte. „Aber diese Zahl sollte man nicht überschätzen“, sagte der Professor an der Universität Osnabrück der „Augsburger Allgemeinen“ (Mittwoch) und fügte zur Begründung hinzu: „Alle Erfahrungen zeigen, dass geflüchtete Menschen sehr viele Bindungen in der Ankunftsgesellschaft entwickeln.“ Viele Betroffene seien als Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in die Bundesrepublik gekommen, seien hier zur Schule gegangen, hätten eine Ausbildung gemacht oder sähen die Zukunft ihrer Kinder in Deutschland.

Im vergangenen Jahr hätten Syrer fast 40 Prozent der Einbürgerungen ausgemacht. „Diese Menschen sehen Deutschland als ihre neue Heimat“, sagte Oltmer. Syrische Geflüchtete sollten aus seiner Sicht als fester Teil der Gesellschaft anerkannt werden. „Unternehmen, Schulen und Kommunen haben viel in die Integration investiert. Diese Erfolge durch Rückkehrforderungen zu gefährden, wäre kontraproduktiv“, sagte er. Stattdessen sollten die Potenziale dieser Menschen genutzt und die Bindungen weiter gestärkt werden.

2023 wurden in Deutschland rund 200.100 Ausländerinnen und Ausländer eingebürgert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren darunter etwa 75.500 Menschen mit zuvor syrischer Staatsangehörigkeit, im Jahr zuvor waren es rund 48.400.