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Schillernde Retrospektive von Viktor&Rolf in München

Die Kunsthalle München wird bis 6. Oktober wieder zum Laufsteg. Dieses Mal sind die Arbeiten des Designerduos Viktor&Rolf zu sehen. Vor Journalisten verrieten die Niederländer auch, wie sie zu ihren Ideen kommen.

“Wir schließen uns in ein Zimmer ein. Dann reden wir über die Welt und natürlich auch über uns.” Was Rolf Snoeren da beschreibt, ist nicht der Anfang eines Therapiegesprächs. Vielmehr beginnen er und Viktor Horsting so regelmäßig ihre Überlegungen für die nächsten Kreationen. Die Methode scheint zu funktionieren. Denn seit über 30 Jahren haben die 1969 in den Niederlanden geborenen Männer mit ihrer unkonventionellen Herangehensweise an die von ihnen designten Stücke Erfolg. Technische Perfektion und umfassende Kenntnisse zur Mode- und Kunstgeschichte gehören mit dazu.

Höchste Zeit ihnen eine Rückschau zu widmen, die nun bis 6. Oktober in der Kunsthalle München unter dem Titel “Fashion Statements” zu erleben ist. Die Besucher erwartet eine spektakuläre Schau, in der Mode und Kunst miteinander verschmelzen. Rund 100 der kühnsten Kreationen des ebenso visionären wie leidenschaftlichen Künstlerduos wurden in opulenten Inszenierungen und mittels tollen Showeffekten erlebbar gemacht.

Beide Männer lernten sich beim Modestudium an der Kunstakademie in Arnheim kennen. Nach ihrem Abschluss 1992 zogen sie des Jobs wegen nach Paris. Gemeinsam gewannen die zwei bereits ein Jahr später die drei ersten Preise eines Wettbewerbs. Als “Viktor&Rolf” wurden sie auf die Bühne gerufen – ein Name, der ihnen für ihr künftiges Fashionlabel sofort gefiel. Heute steht der Name nicht nur für ihre Mode, sondern auch für Düfte wie “Flowerbomb” oder “Good Fortune”.

Mit ihrer besonderen Art zu denken, kombiniert das Duo Dinge, die eigentlich nicht zusammengehören. Sie stellen gerne alles auf den Kopf und zogen dies auch genau so durch für ihren 2005 in Mailand eröffneten Flagship Store. Die Durchgangsbögen wurden dort zu gepolsterten Sitzecken, Blumenarrangement hingen kopfüber von der Decke. 2023 entstanden weitere 18 Aufsehen erregende pastellfarbene Tüllkleider mit Korsetts, die über die Köpfe der Models hinweg nach oben ragen. Mit ihrer “Wearable Art” 2015/16 schufen die zwei zudem Kleidung samt Bilderrahmen. Erst auf dem Laufsteg angezogen präsentiert, schmückten sie danach als Kunstwerk die Wände.

Es geht aber auch top seriös. Als im holländische Königshaus die Hochzeit von Prinz Friso mit Mabel anstand, designten Viktor&Rolf ein traumhaftes Brautkleid, verziert über und über mit kleinen und großen Schleifen. Auch dieses ist in seiner Pracht in der Schau zu bewundern. Dazu kommen noch viele kleine Puppen mit Porzellanköpfen. Sie stellen eine Art materielles Gedächtnis dar, weil sie die verkleinerten Versionen ausgewählter Kreationen der Designer tragen.

Für Aufsehen sorgten die Modemacher schon 1999. Weil die für die Präsentation zu buchenden Models für die gerade erst am Beginn ihrer Karriere stehenden Männer zu teuer waren, entschieden sie sich nur eine einzige Frau zu engagieren. Wie eine russische Schachtelpuppe zogen sie ihr nach und nach auf der Bühne alles über, so dass die Arme am Ende 70 Kilo zu tragen hatte. Ein eigens produziertes Hologram von dem mehrfach Oscar-prämierten Visual-Effects-Studio Rodeo FX erweckt die Modenschau noch einmal zum Leben.

Höhepunkt der Ausstellung aber ist der große Ballsaal mit den prächtigen Lüstern, in deren Licht üppige, glamouröse Roben sich auf Scheiben drehen. Doch der Eindruck der Walzerseligkeit täuscht. Der schöne Schein wird durchbrochen von der Realität der sogenannten sozialen Medien. Dort zu findende Botschaften sind auf den Kleidern zu lesen: “Go to hell” (Geh zur Hölle) heißt es auf einer gelben Robe und auf einer unschuldig weißen finden sich die Worte: “I’m not shy. I just don’t like you” (Ich bin nicht scheu, ich mag dich einfach nicht).

Mode treffe hier auf Kunst und werde so zum sinnlichen Erlebnis, schwärmte Kuratorin Franziska Stöhr. Und Viktor ließ auf Nachfrage wissen, sie nützten zwar inzwischen Computer, aber Künstliche Intelligenz komme in ihrer Arbeit nicht zum Einsatz. Ihre Ideen schrieben sie aber auf, betonte Rolf. Denn erst durch das Wort könne die Visualisierung folgen.