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Schauspielerin über ihre Präeklampsie – Ruf nach Aufklärung

Bekannt aus TV-Reihen, ist Anika Lehmann 2025 in Dresden in einem ABBA-Musical zu sehen. Vermutlich quirlig und energiegeladen – was nicht selbstverständlich ist angesichts dessen, was ihr vor zwei Jahren passierte.

Etwa zwei bis drei Prozent der Schwangeren in Deutschland erkranken an einer Präeklampsie, landläufig genannt: Schwangerschaftsvergiftung. Eine von ihnen war die heute 39-jährige Schauspielerin Anika Lehmann. Dass es diese Krankheit gibt, erfuhr sie erst, als sie mit dem Risiko eines Schlaganfalls oder Herzinfarkts ins Krankenhaus kam und ein Notkaiserschnitt vorgenommen werden musste. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) spricht Lehmann über Mutterglück, aber auch über fehlende Aufklärung und das Gefühl, mit einem gravierenden Problem allein gelassen zu werden.

KNA: Frau Lehmann, wie geht es Ihnen?

Anika Lehmann: So einigermaßen. Das Ganze ist jetzt fast zwei Jahre her. Ich spüre aber immer noch die Nachwirkungen dieser Präeklampsie, habe noch hohen Blutdruck und Wassereinlagerungen. Ich war immer eine S, wenn man in Kleidergrößen spricht, und jetzt bin ich eine L. Allerdings wurde gerade erst mein Blutdruck-Medikament umgestellt – ich hoffe, dass sich jetzt alles etwas verbessert. Ich habe nicht mehr so das Gefühl, dass ich permanent gegen etwas ankämpfen muss, schwitze nicht mehr so stark. Und es kommt mir so vor, als würde ich endlich ein bisschen Wasser verlieren. Aber es dauert.

KNA: Was genau ist damals passiert?

Lehmann: Das kam alles ganz plötzlich. Ich hatte noch in Dresden in der Comödie gespielt. Da war ich schon schwanger und auch beim Frauenarzt gewesen, da war alles gut. Zu Thanksgiving bin ich in die USA geflogen. In der 32. Schwangerschaftswoche ging’s mir plötzlich richtig schlecht, ich hatte stark geschwollene Füße und Hitzewallungen, hab mich total kraftlos gefühlt. Der Blutdruck war bei 199, als ich in L.A. ins Krankenhaus kam, der ging nicht runter. Und dann mussten sie die Kleine direkt holen, ein Notkaiserschnitt. Das war am 1. Januar 2023. Die Kleine musste in den Brutkasten, es war erst der achten Monat. Und ich durfte erstmal nicht zu ihr, stattdessen war ich an Maschinen angeschlossen, weil das Risiko auf Schlaganfall oder Herzinfarkt bestand.

KNA: Wie ging es dann weiter?

Lehmann: Man sagt bei der Präeklampsie, der Risikofaktor ist das Kind. Sobald das Kind aus dem Körper raus ist, verbessert sich die Situation. Bei mir war das nicht so. Der Blutdruck ging einfach nicht herunter, obwohl die mir alles Mögliche gegeben haben. Letztlich war ein hoch dosierter Betablocker das Einzige, was gewirkt hat. Der bringt aber das ganze System runter, verlangsamt den Herzschlag, den Stoffwechsel, alles wird träger. Für mich hat sich das deshalb so angefühlt, als würde ich ständig gegen etwas ankämpfen. Ich wollte natürlich trotzdem mit allem weitermachen, ich hab einen recht schnellen Lebensstil.

KNA: Wie geht es Ihrer Tochter Anouki heute?

Lehmann: In Deutschland hätte ich diesen Betablocker als Stillende gar nicht bekommen. Es war krass, als ich das im Nachhinein erfahren habe. Aber mittlerweile wurde alles gecheckt: Der Kleinen geht’s super, die ist gut drauf, quietschlebendig, hat Spaß, das hat sie nicht beeinflusst. Aber da habe ich mir gedacht: Wow, das hätte auch noch schiefgehen können.

KNA: Wieso gehen Sie mit dem Thema an die Öffentlichkeit?

Lehmann: Das Schlimme ist, dass diese Frauenkrankheiten immer noch viel zu wenig erforscht sind. 70.000 Frauen sterben weltweit jedes Jahr an einer Präeklampsie. Auch wenn ich jetzt schwangere Frauen frage: Hast du schon mal von Schwangerschaftsvergiftung gehört? Und die so: Nee, nie. Das ist fahrlässig, weil es ja immer noch häufig vorkommt.

Viele Frauen – das ist auch gefährlich – bekommen das nach der Geburt. Sie gehen nach Hause, denken, “jetzt hab ich ein paar Nebenwirkungen, hab ja gerade ein Kind bekommen, das ist wahrscheinlich normal” – gerade beim ersten Kind. Du merkst ja nicht unbedingt, ob du einen hohen Blutdruck hast. Also: Mir geht’s um Aufklärung.

KNA: An der hat es in Ihrer Schwangerschaft gefehlt.

Lehmann: Ich hatte mit zwei Hebammen gesprochen damals in Dresden, noch relativ am Anfang der Schwangerschaft. Die haben mich nicht aufgeklärt, und die Gynäkologin auch nicht. Die war sonst super, vielleicht wär’s im späteren Verlauf noch gekommen. Ich finde, über das Thema müsste man innerhalb der ersten Schwangerschaftswochen aufklären beziehungsweise gezielt auf die Präeklampsie hin untersuchen.

Ich gehe auch deswegen an die Öffentlichkeit, weil ich es absurd finde, dass es keine Anlaufstelle gibt für Frauen, die nach der Geburt immer noch darunter leiden. Wie ich oder auch viele andere Frauen.

KNA: Wissen Sie, wieso gerade Sie eine Präeklampsie erlitten haben?

Lehmann: Nein, das konnte mir niemand erklären. Ich hatte immer einen normalen Blutdruck, 120 zu 80. Ich weiß nur, dass der Körper sozusagen überfordert war mit der Schwangerschaft.

KNA: Wie ging es für Sie nach Ihrer Rückkehr nach Deutschland weiter?

Lehmann: Ich habe schnell gemerkt, dass es in einem Fall wie meinem sehr wenig Hilfe gibt. Ich bin von Arzt zu Ärztin zu Arzt gerannt, habe selber herauszufinden versucht, was ich noch tun kann, auch online. Ich habe mehrere Kardiologen getroffen, die mir nicht weiterhelfen konnten, ebenso Gynäkologen. Die hatten teils Angst, mein Blutdruck-Medikament umzustellen, weil sie sich nicht auskennen oder weil ich noch immer gelegentlich stille. Mittlerweile habe ich zum Glück einen Kardiologen gefunden und auch einen Nierenarzt. Wenn wir bestimmte Krankheiten ausgeschlossen haben, dann kann ich wohl endlich Medikamente zum Entwässern des Körpers bekommen. Aber es dauert halt.

Es gibt keine zentrale Anlaufstelle, wo jemand wie ich, der lange nach der Geburt noch unter den Nachwirkungen leidet, hingehen kann. Nicht einmal bei der Charité: Die sagten, nee, sorry, für Sie sind wir nicht zuständig. Wir sind nur für Frauen, die wieder schwanger werden wollen und bereits Präeklampsie hatten – oder die gerade schwanger sind. Dabei wäre es doch wünschenswert, ein Team aus verschiedenen Ärzten zu haben, die dich beraten: Gynäkologie, Kardiologie, Nephrologie und so weiter.

KNA: Würden Sie trotz dieser Erfahrungen noch einmal schwanger werden wollen?

Lehmann: Also ich bräuchte erstmal ‘nen Mann dazu (lacht)! Ich bin alleinerziehend. Ich finde es toll, ein Kind zu haben. Aber ich habe großen Respekt davor. Man müsste sich dann sehr engmaschig untersuchen lassen, das wurde mir schon gesagt: Wenn man einmal eine Präeklampsie hatte, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man sie nochmal bekommt.

KNA: Werden Sie weiterhin Medikamente nehmen müssen?

Lehmann: Ich hoffe, dass ich die langfristig nicht mehr brauche, dass sich der Blutdruck wieder einpegelt. Das kann man im Moment aber nicht wirklich sagen.

KNA: Ihre Kleidergröße hat sich von S auf L verändert. Hat das Einfluss auf die Rollen, die Ihnen angeboten werden?

Lehmann: Am Theater war meine Gewichtszunahme kein Problem, da haben wir die Kostüme weiter genäht. Das mussten sie ja schon machen, als ich schwanger wurde. Bei den Werbeanfragen merke ich allerdings einen Unterschied. Ich habe früher viel Werbung gedreht, dazu kam es jetzt tatsächlich nicht mehr, seitdem ich kräftiger bin.

Ich hab mit einer Casterin darüber gesprochen. Die sagte zwar, sie würde mich auch weiterhin als “Love Interest” beziehungsweise Hauptdarstellerin besetzen. Aber es kommt halt immer auf den Cast und die Produktion an. Grundsätzlich habe ich den Eindruck, dass Deutschland noch nicht so weit ist, alle Farben und Formen und Besonderheiten zu zeigen, die Menschen so haben.