Ausnahmen bestätigen die Regel: Ein Schaltjahr wie das Jahr 2024 ist eine gute Gelegenheit, sich die tiefere Wahrheit dieses Satzes vor Augen zu führen. Die Kalender-Regel heißt: Ein Jahr hat 365 Tage. So lange dauert es, bis die Erde einmal um die Sonne herumläuft und dann wieder an der gleichen Stelle steht. Die Ausnahme lautet: Alle vier Jahre müssen wir einen Tag einschieben: den 29. Februar. Dann hat das Jahr 366 Tage.
Warum ist das so? Schaut man genau hin, sind es gar nicht 365 Tage, die die Erde für ihren jährlichen Gang um die Sonne braucht. Sondern 365 Tage, fünf Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden. Das lässt sich in einem Kalender allerdings kaum vernünftig darstellen. Deshalb lässt man es bei 365 Tagen. Die Kalenderjahre fangen im Blick auf die Sonne also jedes mal fast sechs Stunden zu früh an. In vier Jahren ergibt das knapp 24 Stunden Vorlauf auf den tatsächlichen Stand der Sonne – voilà, wir schieben dann einen Tag ein, und der Kalender passt wieder.
Die Ausnahmen von der Ausnahme
Das kann zu allerlei Kuriositäten führen. Wer an einem 29. Februar geboren wird, hat genommen genommen ja nur alle vier Jahre Geburtstag. Wie fies! 2024 werde es allein in Deutschland – statistisch hochgerechnet – 2040 Babys sein, die am 29. Februar 2040 zur Welt kommen. Denkbar ist sogar, dass von Zwillingen einer am 28. Februar kurz vor Mitternacht das Licht der Welt erblickt, der oder die andere ein paar Minuten später, aber am 29. Februar.
Allerdings hat diese Ausnahmeregel – alle vier Jahre einen Tag einschieben – auch wieder Ausnahmen: Hunderter-Jahre (1700, 1800, 1900) sind keine Schaltjahre (obwohl sie der alle-vier-Jahre-Regel nach dran wären). Es sei denn, noch eine Ausnahme, sie sind durch 400 teilbar. Das führte dazu, dass 2000 ein Schaltjahr war, 2100 aber dann wieder keines sein wird. Warum? Nun, weil das Sonnenjahr eben so sehr krumm ist. 365 Tage, fünf Stunden, 48 Minuten und 46 Sekunden. Da braucht man jede Menge Ausnahmen.
Menschengemachte Ordnungen
Die Menschen sehnen sich nach Ordnung. Sie suchen sie in allen Dingen. Ganz besonders deutlich in den Naturwissenschaften. Aber auch in den Disziplinen der Geisteswissenschaften; auch in Philosophie und Theologie. Von Anfang wollten die Menschen klare Regeln. Schon früh hielten sie die Erscheinungen von Sonne, Wetter, Mond und Sternen und Kalendern fest. Korrigierten. Passten an. So etwa Julius Cäsar 45 vor Christus, als er den 29. Februar als Schalttag einführte. Oder Papst Gregor XIII., der 1582 die weiteren Ausnahmen regelte (und zur Kalenderbereinigung einfach mal zehn Tage ausfallen ließ: Auf Donnerstag, den 4. Oktober, folgte Freitag, der 15. Oktober).
Die Schöpfungsordnung ist komplex und kompliziert. Menschen nähern sich ihr mit Regeln an. Das ist gut und für den Alltag und notwendig. Wer zum Beispiel die Größe einer Regentonne im Garten oder auch nur eines Kochtopfes berechnen will, kann das schnell und bequem mit ein paar Formeln erledigen – ohne sich darum zu kümmern, dass die Zahl „Pi“, die bei allen Kreisberechnungen im Hintergrund steht, in Ziffern eigentlich gar nicht darstellbar ist. Funktioniert trotzdem, irgendwie. Auch in der Rechtssprechung wird das Verhalten der Menschen nach Gesetzen und Verordnungen geregelt – obwohl man dann oft genug erlebt, dass man dem Einzelfall damit nicht gerecht werden kann.
Die Ordnungen sind für die Menschen gemacht
Nicht zuletzt sind es die Religionen, denen die Menschen ihre Regeln verdanken. Interessant ist, wie Jesus sich dazu verhielt. So manches Mal brach er die formale Ordnung; etwa, als er Kornähren am Ruhetag erntete und Kranke heilte. Oder Umgang hatte mit Menschen, die nach den rituellen Vorschriften der damaligen Zeit als unrein galten. Dabei beharrte Jesus darauf, dass er nicht die Ordnung brechen wolle, sondern sie sogar erfüllen würde – nämlich auf ihren tieferen, ursprünglichen Sinn hin.
Schaltjahr, Kreiszahl Pi oder Jesus – die Menschen brauchen Regeln. Aber Gottes Schöpfung ist zu komplex, um sie in diesen Regeln vollständig zu erfassen. Es braucht Ausnahmen. Erst die bestätigen den grundsätzlichen Sinn einer Regel.