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Sattler: Die Situation verändern können nur die Bischöfe

Die katholische Theologin Dorothea Sattler ist eine Vorkämpferin für die Gleichstellung von Frauen in der katholischen Kirche. Ihre Strategie ist nicht der laute Protest, sondern geduldige Argumentation. Das An-Argumentieren gegen historisch verfestigte Widerstände raubt ihr nicht die Zuversicht. Ihr fehle die Fantasie, dass die schlüssigen Argumente nicht doch zum Ziel führen, sagt sie im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

epd: Im Untertitel zu Ihrem neuen Buch „Frauen im Amt. Ein Weg zur Erneuerung der Kirche“ klingt die Frage bereits an. Warum ist jetzt die Zeit für weibliche Priester in der katholischen Kirche?

Sattler: Es drängt in der Tat jetzt besonders, aber die Debatte reicht 60 bis 70 Jahre zurück. Die stärksten Stimmen und die wichtigsten theologischen Arbeiten und Studien kommen allerdings weitgehend aus Europa. Wir erleben gerade, dass es nicht mehr plausibel ist, zur römisch-katholischen Kirche zu gehören, und zwar auch aus Gründen der mangelnden Geschlechtergerechtigkeit und der Zuschreibung von gesellschaftlichen Rollen an Frauen und Männer, die in anderen Bereichen weitgehend aufgelöst worden sind.

Für eine Erneuerung der Kirche brauchen wir Begabungen und Eigenschaften, die viele Frauen ganz selbstverständlich zeigen – etwa eine besonders ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, Sensibilität und Empathie. Es sind Eigenschaften, die Frauen eben wegen früherer Rollenzuschreibungen besonders ausprägen. Frauen können ihr ganz eigenes Glaubenszeugnis ablegen und den Glauben an Jesus Christus verkünden – denn das ist ja die zentrale Aufgabe der Kirche über alle Jahrhunderte hinweg.

epd: Sie sagen, es ist eine Bewegung, die sehr stark europäisch geprägt ist. Gibt es diese Debatte in anderen Teilen dieser Weltkirche nicht?

Sattler: Wir hatten kürzlich eine internationale Tagung in Leipzig. Es zeigte sich, dass es keineswegs nur europäische Frauen sind, die da argumentieren, sondern auch akademisch gebildete Frauen in Lateinamerika, Asien und Afrika. Wir müssen uns international vernetzen und für die Debatte über die Weihe von Frauen in allen Kirchen werben.

Zugleich müssen wir in der römisch-katholischen Kirche wie auch oft im globalen politischen Kontext weibliche Rollenbilder in außereuropäischen Ländern mit bedenken. Die Gleichstellung von Frau und Mann ist nicht selbstverständlich. Und die römisch-katholische Kirche kann die Frage der Frauenweihe letztlich nicht nur für einzelne Regionen oder einzelne Teilkirchen entscheiden, sondern das muss grundsätzlich entschieden werden. Ob dann alle Bistümer in allen Teilen der Welt Priesterinnen weihen, ist dann am Ende eine andere Frage.

epd: Wie tief sitzt die Diskriminierung von Frauen in der katholischen Kirche? Ist der Grund die biblische Tradition oder die gesellschaftliche Struktur, deren Teil die Kirche ja auch ist?

Sattler: Das Paradoxe ist, dass aus Sicht vieler leitend tätiger Männer in der römisch-katholischen Kirche die Frau gar nicht diskriminiert ist, sondern stattdessen hochgelobt und mit ihren „weiblichen“ Eigenschaften zutiefst geachtet wird. Was da gelobt wird und welche Eigenschaften geachtet sind, wird aber durch Männer bestimmt. Dazu gehören zum Beispiel Hingabe, die Sorge für die Nachkommen, die Pflege von Kranken. Frauen sind in diesem Bild nicht in verantwortlicher Leitung oder für öffentliches Auftreten vorgesehen, übrigens lange Zeit auch nicht für akademisch-theologische Forschung.

Das biblische Frauenbild orientiert sich stark an Maria, der Mutter Jesu, die ihr Leben ihrem Sohn verschreibt. Dass Maria aber auch eine machtvolle weibliche Seite in der Bibel zeigt, wird nicht gesehen. In einigen Teilen der Kirche ist es deshalb schwer zu vermitteln, dass wir als Frauen diskriminiert sind. Uns wird abgesprochen mitzubestimmen, welche Rollen wir einnehmen.

epd: Anzunehmen, Frauen seien nicht diskriminiert, weil man sie im Grunde genommen für ihre Sorgearbeit braucht, ist natürlich ein Totschlagargument. Auf welche Widerstände stoßen Sie noch?

Sattler: Viele befürchten, es kommt zu einer Kirchenspaltung, wenn entschieden wird, dass auch Frauen Priesterinnen werden können. Faktisch haben wir die Spaltung ja schon. Es gibt den stillen Rückzug nicht nur von Frauen, auch von vielen Männern, die das nicht mehr aushalten, dass die Argumente nicht gehört werden. Das ist vielleicht nicht der laute Eklat, aber es ist deutlich.

Oft wird auch argumentiert, dass nur Männer Christus repräsentieren können, weil Jesus ein Mann war. Das ist für viele, die mit der modernen Geschlechteranthropologie nicht viel anfangen können, der letzte unabweisbare Fakt. Wichtig ist das mit Blick auf die Priester in der katholischen Abendmahlsfeier, der Eucharistie. Denn dann repräsentiert der Priester nach römisch-katholischem Verständnis beim Sprechen der biblischen Einsetzungsworte Jesus Christus. Gegner des Frauenpriestertums sehen das als Ausschlusskriterium dafür, dass Frauen diese Rolle nicht übernehmen können, weil sie eben keine Männer sind.

Wir werden aber nicht müde zu betonen, dass es sich bei den Einsetzungsworten um eine Erzählung handelt von dem, was Jesus gesagt hat. Das kann natürlich auch eine Frau – mit den oben genannten Argumenten.

epd: Sie argumentieren aber auch biblisch-historisch.

Sattler: Es ist der Hauptauftrag der Kirche, das Evangelium zu verkündigen. Wie die biblischen Evangelien erzählen, fanden sich Frauen im engsten Kreis um Jesus. Sie kommen intensiv in den Ostererzählungen vor, sie begegnen dem auferstandenen Christus und verkünden das auch. Kirchengeschichtlich durchgesetzt hat sich das leider nicht. Denn entscheidend war, dass Frauen nicht zum Kreis der zwölf Apostel, also der zwölf Jünger Jesu, gehörten – das ist aber eine sehr symbolische Konstruktion, die man theologisch argumentativ eben entkräften kann.

epd: Haben Sie überhaupt Hoffnung, dass es irgendwann Priesterinnen geben wird, wenn die Entscheidung in einer Institution getroffen wird, die patriarchalisch ist und Männer über diese Frage entscheiden?

Sattler: Die Situation verändern können nur die Bischöfe. Und wir können nur Überzeugungsarbeit leisten. Mein Stil ist die ruhige Argumentation. Aber natürlich ist das für viele ein viel zu langwieriger Weg.

Ich bin da aber zuversichtlich. Mir fehlt wirklich die Fantasie, dass die schlüssigen Argumente nicht doch zum Ziel führen. Weil der Bischof von Rom solche Dinge alleine entscheiden kann, könnte es auch relativ rasch gehen. Es braucht eben nur den Richtigen zum geeigneten Zeitpunkt.

epd: Stichwort Bischof von Rom, der als Papst das Oberhaupt der katholischen Kirche ist. Papst Franziskus schließt sich Ihrer Argumentation bislang nicht an.

Sattler: Er hat sich mehrfach geäußert, dass er anderer Überzeugung ist. Beim Diakonat der Frau ist er unentschieden oder noch offen für weitere Argumente. Mit der Bischofssynode, die jetzt im Oktober wieder in Rom stattfindet, macht er deutlich, dass er über sein Amt nachdenken lässt. Es geht ihm darum, das Amt als Bischof von Rom stärker in synodale Strukturen einzubinden, also mehr Beratung zu ermöglichen. Das ist gut.

Was aus meiner Sicht nicht geht, ist eine Frage von so hoher Bedeutung auf Argumenten ruhen zu lassen, die einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht standhalten.

epd: Das Diakonat ist die erste Form der Weihestufe bei Geistlichen. Wie unterscheiden sich Diakone von Priestern?

Sattler: Diakone stehen nicht der Feier der Eucharistie vor, daher fällt da eine Barriere weg. Im ersten Jahrtausend gab es außerdem nachweisbar Diakoninnen. Das heißt, das Traditionsargument, das man bei Priesterinnen anführt, fällt weg. Diakoninnen haben Frauen getauft – aus Schicklichkeitsgründen, weil Täuflinge damals noch nackt mit dem ganzen Körper in Wasser getaucht wurden. Diakoninnen kamen auch in die Häuser, um dort das Evangelium zu verkündigen und auszulegen. Das Amt verlor sich im Westen erst durch die Etablierung der Kindertaufe. Im Osten hat es sich länger gehalten. Bis heute gibt es dort geweihte Diakoninnen.

epd: Und wären Sie mit diesem ersten Schritt der Weihe schon mal zufrieden?

Sattler: Ich fände es gut, wenn das geschieht – aber nur, wenn Diakoninnen dann auch Diakonen gleichstellt sind und nicht etwa ein neues Amt eingeführt wird. Denn ich sehe die Gefahr, dass Frauen wieder auf eine sozialdiakonische Rolle festgelegt werden. Zugleich wäre es für die Frauen, die sich heute schon auf das sakramentale Amt als Diakonin vorbereiten, sehr wichtig, dass rasch Entscheidungen getroffen werden. Letztlich geht es uns Frauen jedoch nicht um uns und unser Amt – es geht um die Verkündigung des Evangeliums durch alle Menschen, die dazu begabt und dazu berufen sind – von Gott!