Der russische Friedensnobelpreisträger und Mitbegründer der Organisation Memorial, Oleg Petrowitsch Orlow, sieht die Zukunft seines Landes an die Entwicklung des Krieges gegen die Ukraine geknüpft. Als Gast im NRW-Landtagsausschuss für Europa und Internationales betonte er am Mittwoch in Düsseldorf: „Die Zukunft Russlands wird auf den Schlachtfeldern in der Ukraine entschieden.“ Orlow appellierte an den Westen, mit der Unterstützung für die Ukraine auch der Menschenrechtssituation in Russland mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Wer die Ukraine unterstütze, unterstütze auch die russische Zivilgesellschaft, sagte er.
Die Menschenrechtssituation in Russland habe sich in den vergangenen 20 Jahren immer weiter verschlechtert, sagte Orlow. Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine im Februar 2022 seien in Russland Gesetze verschärft worden, um jegliche Kritik zu unterdrücken. „Medienunternehmen, Journalisten und Oppositionspolitiker werden als ausländische Agenten gebrandmarkt“, sagte er. Die gesetzlichen Bestimmungen seien jedoch unpräzise formuliert. Jeder, der sich in Russland gegen den Überfall auf die Ukraine äußert, könne mit mehrjährigen Haftstrafen belegt werden.
Orlow zählt zu den führenden Köpfen der russischen Zivilgesellschaft und setzte sich mit der 2022 in Russland aufgelösten Organisation Memorial für die Achtung der Menschenrechte in seinem Land ein. Mehrfach äußerte er sich öffentlich zu dem Krieg in der Ukraine, den er als Verbrechen bezeichnete. Im Februar 2024 wurde wegen „Diskreditierung der russischen Armee“ zu zweieinhalb Jahren Lagerhaft verurteilt. Seitdem er im August durch einen Gefangenenaustausch freikam, lebt er in Berlin.
Die ausländische Unterstützung für die politischen Gefangenen in Russland sei wichtig und habe ihm selbst geholfen, sagte Orlow. Doch die westlichen Staaten kämen ihrer Verantwortung nicht genügend nach, kritisierte er. Als Beispiel führte er an, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erst sehr spät über die Beschwerde der russischen Opposition zum Gesetz gegen „ausländische Agenten“ beraten habe. „Zu dem Zeitpunkt waren die Hälfte der antragstellenden Organisation schon aufgelöst“, sagte Orlow. „Der Widerstand gegen den Krieg wäre sonst stärker gewesen.“
Das Regime in Russland könne nicht länger autoritär, sondern müsse als totalitär bezeichnet werden. Es kontrolliere alle Bereiche, sogar das Privatleben der Bevölkerung. „Es herrscht ein System von Menschenrechtsverletzungen“, sagte Orlow. „Es dient dazu, abweichende Meinungen in der Zivilgesellschaft und der politischen Opposition zu unterdrücken.“
Der Austausch mit dem Aktivisten diene dazu, die vom nordrhein-westfälischen Landesparlament geplante Woche der Menschenrechte vorzubereiten, erläuterte der Ausschussvorsitzende Stefan Engstfeld (Grüne).