Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), plädiert dafür, Orte der ostdeutschen Demokratiegeschichte stärker sichtbar zu machen. Einer dieser Orte sei das kirchliche Bonhoeffer-Haus in Berlin-Mitte, wo am 7. Dezember 1989 erstmals der zentrale Runde Tisch der DDR getagt habe, sagte Schneider am Mittwoch am historischen Ort in Berlin. Das damalige Gremium aus Staatsvertretern und Oppositionsgruppen sei ein „Kennzeichen der Selbstdemokratisierung der DDR“. Das erste demokratische Experiment nach über einem halben Jahrhundert Diktatur sei eine „gewaltige Leistung“ gewesen.
Schneider betonte, vorangegangen sei mit den Massenprotesten im Herbst 1989 die Selbstermächtigung der DDR-Bürgerinnen und -Bürger. Doch erst der zentrale Runde Tisch habe nach polnischem Vorbild vom Frühjahr 1989 die Straßenproteste in einen strukturierten, demokratischen Prozess kanalisiert.
Der Runde Tisch habe den Weg zu den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 geebnet, sagte Schneider. Es sei dann das frei gewählte DDR-Parlament gewesen, das sich für den schnellen Beitritt zur Bundesrepublik entschieden habe. Die Wiedervereinigung sei keine westliche Übernahme, sondern der mehrheitliche Wunsch der DDR-Bürger gewesen.
Aus Anlass des 35. Jahrestages des Runden Tisches hatte die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratie-Geschichte am Mittwoch zu einer Diskussionsveranstaltung in das Bonhoeffer-Haus eingeladen. Podiumsgäste waren unter anderem Gesine Oltmanns von der Stiftung Friedliche Revolution in Leipzig und der ehemalige ostdeutsche SPD-Politiker Stephan Hilsberg.
Hilsberg, der bereits ab Oktober 1989 einer Kontaktgruppe von Bürgerrechtsgruppen für einen künftigen Runden Tisch angehörte, erinnerte an das zwischen Dezember 1989 und März 1990 fast wöchentlich tagende Gremium als „Ort heftigster Machtkämpfe“ zwischen Staat und Opposition inklusive der Blockparteien wie der Ost-CDU. „Auch die standen auf der anderen Seite der Barrikaden“, sagte der 68-Jährige, der 1989 die ostdeutsche Sozialdemokratische Partei (SDP) mitbegründete.
Der Runde Tisch sei von vornherein eine Institution des Übergangs gewesen, sagte Hilsberg. Vorrangiges Ziel der Oppositionsgruppen sei es gewesen, so freie Wahlen vorzubereiten und die DDR-Stasi aufzulösen. Dies sei trotz aller Abneigungen zwischen den Akteuren gelungen.
Auch in der aktuellen Krise der Demokratie würde er grundsätzlich dafür plädieren, neue Formen der demokratischen Partizipation auszuprobieren. Bedingung seien jedoch verbindliche Strukturen, auf die sich alle einigen können. Deshalb sei er auch gegen Brandmauern gegen die AfD, sagte der frühere DDR-Bürgerrechtler: „Wir müssen mit allen reden, sonst kommen wir nicht weiter.“
Die Leipzigerin Gesine Oltmanns sagte, der zentrale Runde Tisch in Berlin sei mit großen Erwartungen für die Gestaltung einer reformierten DDR besetzt gewesen. Die große Ernüchterung sei dann am 18. März 1990 gekommen, als bei der ersten freien Volkskammerwahl die „Allianz für Deutschland“ unter Führung der Ost-CDU mit großem Abstand gewann und damit der Weg zu einer schnellen Wiedervereinigung eingeschlagen wurde.