Unermessliches Leid haben die Opfer erlitten, die jahrelang in der Sektensiedlung Colonia Dignidad in Chile lebten. Nun soll dort eine Erinnerungsstätte entstehen. Deutschland unterstützt das.
Die Bundesregierung hat die Pläne des chilenischen Justizministers Jaime Gajardo zur teilweisen Enteignung der ehemaligen Sektensiedlung Colonia Dignidad begrüßt. Das Ziel, dort eine nationale Gedenkstätte für die Opfer zu errichten, sei wichtig, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Mittwoch in Berlin. Die Bundesregierung setze sich für die schnellstmögliche Errichtung ein.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier befindet sich derzeit in Chile. Am Dienstag hatte er sich auch mit Betroffenen und Fachleuten zu einem Austausch zum Thema Colonia Dignidad getroffen. Steinmeier hatte 2016 als damaliger Außenminister erstmals eine historische Schuld des Auswärtigen Amtes in Bezug auf die Verbrechen in der Siedlung eingestanden. Diplomaten hätten “bestenfalls weggeschaut”.
Die Colonia Dignidad wurde Anfang der 1960er Jahre von dem gebürtigen Bonner Paul Schäfer (1921-2010) in Chile gegründet. Auf der Anlage rund 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago versprach der aus einem freikirchlichen Umfeld stammende Laienprediger seinen Anhängern ein “urchristliches Leben im Gelobten Land”. Tatsächlich führte Schäfer ein diktatorisches Regime und schottete die Sektenmitglieder von der Außenwelt ab.
Zu den begangenen Verbrechen zählten unter anderem Freiheitsberaubung, Zwangsarbeit, Sklaverei, Kindesmissbrauch, Körperverletzung, Folter und Verabreichung von Psychopharmaka ohne medizinische Indikation. Nachdem sich 1973 Augusto Pinochet in Chile an die Macht geputscht hatte, wurden in der bis 1990 dauernden Militärdiktatur in der Colonia Dignidad Hunderte Regimegegner vom chilenischen Geheimdienst gefoltert und Dutzende ermordet.
2019 hatte sich eine gemischte Kommission aus Parlamentariern und Vertretern der Bundesregierung auf ein Hilfskonzept für die ehemaligen Bewohner der Kolonie verständigt. Es sieht neben einem Fonds für bedürftige Betroffene, die keinen Zugang zum deutschen Sozialsystem haben, finanzielle Individualleistungen vor.