Sachsen-Anhalt sollte nach Ansicht von Fachvertretern bei der aktuellen Novellierung seines Bestattungsgesetzes die neue Bestattungsform “Reerdigung” zulassen. Bei einer Expertenanhörung am Mittwoch im Magdeburger Landtag wurde die Forderung vom Verband der Friedhofsverwalter Deutschlands vorgebracht. Verbandsgeschäftsführer Andre Könnecke kritisierte, dass diese Wahlmöglichkeit in der Gesetzesnovelle der Landesregierung fehle.
Bei der Reerdigung wird der Leichnam in eine Art geschlossenen Kokon gelegt und innerhalb von 40 Tagen zu Humus umgewandelt, der dann auf einem Friedhof beigesetzt wird. Nach Angaben des Berliner Unternehmens “Meine Erde”, das als einziges in Deutschland Reerdigungen anbietet, werden weder Chemikalien noch Insekten zugesetzt. Bislang ist diese neue Möglichkeit der Bestattung nur in Schleswig-Holstein im Rahmen eines Pilotprojekts erlaubt. Laut “Meine Erde” wurden inzwischen elf Menschen in Deutschland reerdigt.
Auch der Oberbürgermeister von Aschersleben (Sachsen-Anhalt), Steffen Amme, warb nachdrücklich dafür, die rechtlichen Grundlagen für Reerdigungen zu schaffen: “Unsere Bürgerinnen und Bürger interessieren sich sehr dafür und sind mehrheitlich offen dafür, wie Umfragen zeigen.” Der Stadtrat von Aschersleben hatte sich bereits im Herbst 2021 per Beschluss für Reerdigungen ausgesprochen. “Wir sollten das Bestattungsgesetz modern und innovativ denken und dabei auch die nachfolgenden Generationen im Blick haben”, sagte Amme. Auch der Vertreter der Landesinnung des Steinmetz- und Bildhauerhandwerks, Dominik Patte, befürwortete, Reerdigung als neue Bestattungsform ins Gesetz aufzunehmen.
Der Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Bestatter, Stephan Neuser, zeigte sich skeptisch und verwies darauf, dass mit Blick auf den Prozess der Reerdigung noch viele vor allem technische Fragen offen, warum die Leiche so schnell kompostiert werden könne. Seines Erachtens sei zunächst eine wissenschaftliche Auswertung des Pilotprojekts in Schleswig-Holstein notwendig.
Der Leiter des Katholischen Büros Sachsen-Anhalt, Stephan Rether, lehnte Reerdigungen ausdrücklich ab: “Die öffentliche Signalwirkung der Reerdigung finden wir höchst bedenklich. Eine Wahrnehmung persönlicher Identität im Tod ist hier anders als bei Sarg oder Urnenbestattung nicht gegeben.”
Dagegen erklärte der Mitbegründer von “Meine Erde”, Pablo Metz, dass der Moraltheologe Peter Schallenberg (Universität Paderborn) für “Meine Erde” ein Gutachten erstellt habe, wonach aus katholisch-theologischer Sicht die Reerdigung einer Feuerbestattung vorzuziehen sei.
Der Beauftragte der Evangelischen Kirchen in Sachsen-Anhalt, Albrecht Steinhäuser, sagte auf Nachfrage, aus theologischer Sicht gebe es Gründe, die für eine Befürwortung sprechen könnten. In Detailfragen gebe es aber noch Klärungsbedarf, etwa zu den Rahmenbedingungen einer späteren Bestattung der zu Erde gewordenen menschlichen Überreste, so der Leiter des Evangelischen Büros. Auch er sprach sich dafür aus, zunächst in weiteren Pilotprojekten Erfahrungen zu sammeln.