Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat die Einführung von Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien und die Forderung nach einer Obergrenze für den Zuzug von Flüchtlingen kritisiert. “Ich bin keineswegs für eine unbegrenzte Zuwanderung, wohl aber gegen die Festlegung einer Obergrenze”, sagte sie am Sonntag zum Auftakt der EKD-Synode in Ulm. “Das wäre weder mit der Verfassung noch mit EU-Recht vereinbar.”
Die Kirche beteilige sich bereits seit Jahren an der Suche nach Lösungen für die Flüchtlingsproblematik, so die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. “Aber wir werden niemals mitmachen, wo aus Angst vor weiteren Wahlerfolgen der AfD Scheinlösungen vorgetragen werden, die nichts austragen”, sagte Kurschus. “Grenzkontrollen, Abschiebungen im großen Stil und ein paar Piesackereien, die Flüchtlingen das Leben schwerer machen sollen, lösen nichts, sie lösen lediglich noch mehr Ressentiments aus.”
Scharf kritisierte die Ratsvorsitzende, dass in der politischen Debatte von Zahlen gesprochen werde, die jetzt “dringend “runter müssen”: Als ginge es um eine mittelschwere Matheaufgabe.” Wer von Migration rede, rede von Menschen und damit letztlich auch von sich selbst, vom eigenen christlichen oder humanistischen Menschenbild und davon, wie ernst es ihm oder ihr damit ist. “Ich jedenfalls lasse mir die Barmherzigkeit nicht ausreden und werde andere weiterhin an die Barmherzigkeit erinnern.”
Aus Sicht von Kurschus fehlt der politische Wille, legale und sichere Wege nach Europa zu schaffen. “Da wird suggeriert, Geflüchtete machten Einheimischen die Gesundheitsvorsorge streitig”, sagte Kurschus. “Da werden Islamismus und Antisemitismus pauschal mit der Begrenzung von Migration verknüpft, als stünden nicht Jahrzehnte vernachlässigter Integrations- und Religionspolitik in Deutschland hinter diesen Problemen.”
Die Ratsvorsitzende betonte, dass sich Fremdenfeindlichkeit auch unter Kirchenmitgliedern finde. Es gelinge auch innerhalb der Kirche zu wenig, die sehr unterschiedlichen Erfahrungen miteinander ins Gespräch zu bringen. “Gerade weil wir für die Integration von Geflüchteten eintreten, müssen wir auch hören und ernstnehmen, wenn unseren Hochengagierten die Kraft und die Mittel ausgehen.” Ihr sei sehr bewusst, dass derzeit viele Kommunen an Grenzen stießen. “Ich weiß auch, dass vielerorts den Kommunen Geld, Personal, Planstellen und Plätze fehlen”, sagte Kurschus. “Ich habe höchsten Respekt vor allen, die in Behörden und Ämtern, in Kitas und Schulen und im Ehrenamt mit Fantasie und Pragmatismus und Menschenfreundlichkeit das Beste aus dieser angespannten Situation machen.” Sie hätten nicht verdient, dass ihre Arbeit notorisch als Kontrollverlust verunglimpft werde.