Rechtsextremistisches Gedankengut ist aus Sicht des Psychologen Tobias Rothmund auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Viele würden es inzwischen akzeptieren. Vor einer Beschimpfung von AfD-Wählern warnt er aber.
Rechtsextremes Gedankengut verbreitet sich in Deutschland aus Sicht des Psychologen Tobias Rothmund auch außerhalb des ursprünglichen politischen Spektrums. “Wir sehen inzwischen einen normalen Anteil an Rechtsextremismus selbst unter Wählern der politischen Mitte”, sagte Rothmund im Interview der “Welt” (Donnerstag).
Der Psychologe spricht von einem Prozess der “Rechtsradikalisierung”, in dem sich Menschen zu rechtsextremen Denk- und Verhaltensweisen hinwendeten oder diese zumindest zunehmend akzeptierten. Dass sich diese Tendenz auch in der Mitte der Gesellschaft zeige, geht laut Rothmund auf “die Verrohung zumindest in Teilen des Bürgertums zurück”. Auch Anschläge wie zuletzt durch einen 26-jährigen Syrer in Solingen könnten zumindest kurzfristig einen solchen Rechtsruck befördern. “Das hat damit zu tun, dass durch solche Vorfälle das Bedürfnis nach innerer Sicherheit steigt und damit der Wunsch nach einer restriktiven Einwanderungspolitik”, so Rothmund.
Zudem werde dadurch in der breiteren Gesellschaft der Eindruck verstärkt, dass “die AfD Recht hätte, wenn sie behauptet, dass Migration und Globalisierung die Ursache alles Übels wäre”. “Rechtsextremismus ist keine Lösung für aktuelle politische Herausforderungen und Probleme”, betonte Rothmund, der das Zentrum für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration der Uni Jena leitet. Es müsse deswegen in der Gesellschaft zu einem konstruktiven Miteinander zurückgefunden werden, um Radikalisierungsdynamiken zu stoppen. “Die pauschale Beschimpfung von AfD-Wählern als Nazis hilft dabei nicht, sondern bewirkt eher das Gegenteil”, warnte Rothmund.