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Prieto Peral: “Nächstenliebe ging schon vor Kriegsbeginn verloren”

Als Sinnbild für die „Trümmer eines moralischen und geistlichen Versagens“ hat der Münchner Regionalbischof Thomas Prieto Peral die bei Kriegsende 1945 zerstörte Münchner Innenstadt bezeichnet. Der Verlust von Mitmenschlichkeit habe Deutschland damals „in den Abgrund“ geführt, sagte der Theologe laut Predigtmanuskript am Donnerstagabend im Münchner Liebfrauendom beim ökumenischen Gottesdienst zum 80. Jahrestag des Kriegsendes: „Millionen Unschuldige – Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma, politische Gegner, Behinderte, Homosexuelle – sie alle fielen Rassismus und Menschenfeindlichkeit zum Opfer.“ Die christliche Nächstenliebe sei schon vor Kriegsbeginn vielerorts verloren gegangen.

Gerade deshalb müssten Christen heute „deutlichen Widerspruch“ gegen die Stimmen erheben, „die unterschwellig neue Volksgemeinschaften beschwören und bestimmte Gruppen ausgrenzen wollen“. Zugleich verwies der Regionalbischof im Kirchenkreis Schwaben-Altbayern auf den russischen Eroberungskrieg gegen die Ukraine, in dem bislang über 12.000 Zivilisten und ungezählte Soldaten gestorben seien. Auch der Gaza-Krieg „besorgt uns zutiefst“, so Prieto Peral. Was als Verteidigung gegen den Hamas-Terror des 7. Oktobers begonnen habe, sei „zu einer unvorstellbaren Tragödie für hunderttausende Palästinenser geworden, ein Drittel davon Kinder“, so der Theologe. 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs bitte man Gott „um sein Erbarmen für die Opfer von damals und von heute“.

Der Gottesdienst, den Prieto Peral zusammen mit dem Generalvikar des Erzbischöflichen Ordinariats, Christoph Klingan, feierte, stand unter dem Leitwort „Erinnerung und Auftrag“. Auch Klingan mahnte laut Mitteilung, dass die Gesellschaft alles dafür tun müsse, „damit extremistische Kräfte niemals mehr die Oberhand in unserem Land bekommen“. Er erinnerte daran, dass „Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit und Menschenwürde wirklich ur-christliche Werte“ seien, für die sich christliche Kirchen aller Konfessionen weltweit einsetzen müssten.

In einer schriftlichen Botschaft sprach Charlotte Knobloch, Holocaust-Überlebende und Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, den Soldaten der alliierten Armeen „bis heute tief empfundenen Dank“ für die Befreiung der Menschen aus. Vor allem für die Verfolgten, die in den Todeslagern, in Verstecken oder im Exil überlebt hätten, sei damit ein „Ende der permanenten Todesangst und die Chance auf eine Rückkehr in ein Dasein als Mensch“ verbunden gewesen. „So habe auch ich es erlebt“, sagte die 92-Jährige in ihrem Statement.

Zugleich habe zur Befreiung eine „unendlich tiefe Trauer“ gehört um die, für die sie zu spät gekommen sei. Knobloch mahnte: „Aus dem Gedenken an diese Opfer ist uns allen in diesem Land die Verantwortung erwachsen, die bitter errungene Freiheit als eine Freiheit in Menschlichkeit und Gerechtigkeit zu verteidigen.“ Das fange bei jedem einzelnen an: „Wir haben die Entscheidung“, so Knobloch. (1549/08.05.2025)