Für ihre Auseinandersetzung mit der NS-Zeit haben vier Initiativen am Montag den Wilhelm-Freiherr-von-Pechmann-Preis der bayerischen evangelischen Landeskirche erhalten. „Erinnerungskultur ist wichtig für den Geist unserer Demokratie“, sagte der Münchner Regionalbischof Thomas Prieto Peral laut Redemanuskript abends in der St.-Markus-Kirche. „Wir erinnern uns an die Opfer des NS-Terrors, damit uns immer wieder klar wird, welchen Wert unsere rechtsstaatliche Demokratie hat.“ Grußworte sollten halten: Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, sowie Armin Wouters, der Direktor des Erzbischöflichen Ordinariats München.
Den Sonderpreis der Jury unter dem Vorsitz von Synodalpräsidentin Annekathrin Preidel und Regionalbischof Prieto Peral erhielt das Erinnerungs- und Demokratie-Projekt „Die Rückkehr der Namen“ des Bayerischen Rundfunks (BR) und der Stadt München. Auf bewegende Weise seien die Lebensgeschichten von mehr als 1.000 Münchner Opfern des NS-Regimes auf die Straßen „und in unsere Herzen“ gebracht worden, sagte Prieto Peral in seiner Laudatio laut Manuskript. Das Projekt erinnere an verschiedenste Menschen, an Münchner Jüdinnen und Juden, an Sinti und Roma, an Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung, an Homosexuelle oder an Kommunisten.
Der Arbeitskreis „Erinnerungskultur Obermain, Kulmbach, Coburg und Kronach“ wurde für die Ausstellung „Da 49, Da 512 – Züge in den Tod“ über die Ermordung jüdischer Bürgerinnen und Bürger aus Oberfranken prämiert. Paula Lochte und Oliver Halmburger mit ihrem Team erhielten Preise für die Doppel-Einreichung vom ARD-Fernseh-Dokudrama „Hitlerputsch 1923: Das Tagebuch der Paula Schlier“ und der zugehörigen Podcast-Serie „Paula sucht Paula“ über die Schriftstellerin und Journalistin Paula Schlier. Die Projektgruppe von Rainer Schulz, Stefan Diezinger und Karl-Heinz Seyerlein wurde für ihre umfangreiche Quellen- und Materialsammlung „Die Partei ruft“ zur Geschichte der Stadt Leutershausen (Landkreis Ansbach) während der NS-Zeit ausgezeichnet.
Synodalpräsidentin Preidel sagte laut Manuskript, dass die Preisträger vor Augen geführt hätten, „dass Erinnerung nottut – und zugleich, dass Erinnerung allein nicht reicht. Sie bedarf der aktiven Aufarbeitung“. Gewalt, Intoleranz und Gleichgültigkeit seien wieder in „unserer Mitte“. Diesen Entwicklungen müsse man sich vehement widersetzen, um die Würde jedes Menschen zu wahren. „Ignoranz ist keine Option. Im Gegenteil: Wir dürfen nicht aufhören, unbequeme Fragen an unsere Geschichte und Gegenwart zu stellen“, mahnte Preidel. „Menschenwürde, Toleranz und Respekt stehen auf dem Spiel, und zwar heute, hier und jetzt, mitten in unserem Land.“
Der mit insgesamt 10.000 Euro dotierte Preis erinnert an Wilhelm Freiherr von Pechmann (1859-1948), den ersten gewählten Präsidenten der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Pechmann war Direktor einer großen Münchner Bank und erhob laut Prieto Peral während der NS-Zeit aus christlicher Überzeugung seine Stimme gegen die aufziehende Menschenverachtung, fand aber kaum Gehör. (00/3202/04.11.2024)