Der Deutsche Presserat hat im vergangenen Jahr weit mehr schwere Verstöße gegen den Pressekodex festgestellt als in den Jahren davor. Insgesamt wurden 73 Mal Redaktionen gerügt, im Jahr zuvor waren es 47 Rügen (2021: 60 Rügen), wie die Sprecherin des Presserats, Kirsten von Hutten, am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des Jahresberichtes 2023 sagte. Die meisten Rügen (22) betrafen Verstöße gegen die journalistische Sorgfaltspflicht. Dazu gehörten etwa irreführende Überschriften oder mangelnde Recherche. Ebenso häufig gab es Rügen, wenn Redaktionen den Persönlichkeits- und Opferschutz missachtet hatten. Die meisten Beschwerden bezogen sich auf Texte in Regional- und Lokalzeitungen.
Am häufigsten wandten sich demnach Leserinnen und Leser an den Presserat, wenn sie an der Richtigkeit einer Überschrift oder eines Berichtes zweifelten. Insgesamt gingen beim Presserat im vergangenen Jahr 1.850 Einzelbeschwerden ein. Im Jahr davor waren es 1.733 Beschwerden (2021: 2.556; 2020: 4.085). Beraten wurden 531 Beschwerden.
Etwa ein Drittel der Beschwerden lehnte der Presserat ab, weil die Berichte nicht gegen den Pressekodex verstießen. Für weitere 580 Beschwerden, beispielsweise gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oder wegen fehlender Selbstverpflichtung des Mediums, war der Presserat als freiwillige Selbstkontrolle der Presse nicht zuständig. 83 Prozent der ausgesprochenen Rügen zur Berichterstattung wurden von den betroffenen Redaktionen auch veröffentlicht. Neben Rügen als der schwersten Sanktion spricht der Presserat auch Missbilligungen aus und erteilt
Hinweise.
Mit Blick auf die zunehmende Verwendung Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Erstellung von Texten und Bildern erklärte von Hutten, eine Änderung des Pressekodex sei nicht erforderlich. Die Sorgfaltspflicht liege weiter bei der Redaktion. Über KI-erzeugte Texte müssten die Leser informiert, Bilder entsprechend gekennzeichnet werden.
Die Sprecherin des Presserates betonte, in einer krisenhaften und unübersichtlichen Nachrichtenlage schaffe Sorgfalt in der Berichterstattung Vertrauen: „Wahrhaftigkeit ist die beste Leserbindung.“ Redaktionen sollten Fehler transparent korrigieren, mit der Leserschaft das Gespräch suchen und ihre Arbeit erklären, wenn sie kritisiert werden.
Als positiv bewertete der Presserat, dass Beschwerden über die relevantesten Nachrichtenthemen größtenteils unbegründet waren. „Bei großen Themen wie den Kriegen in Israel und Gaza sowie in der Ukraine haben die Print- und Online-Medien ganz überwiegend sauber gearbeitet“, sagte von Hutten.