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Präses Latzel warnt vor AfD und mahnt politischen Disput an

Mit Blick auf das Wahljahr 2024 und ein Treffen von AfD-Politikern mit Neonazis hat der rheinische Präses Thorsten Latzel nachdrücklich vor der AfD gewarnt. Die in drei Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch geltende Partei sei rassistisch, diskriminierend und frauenfeindlich, sagte er am Montag in Düsseldorf vor der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland. Im Blick auf ein mögliches AfD-Verbot zeigt sich der leitende Theologe der rheinischen Kirche aber skeptisch. Nötig sei eine politische Auseinandersetzung. Auch der „Demokratieverdrossenheit“ müsse begegnet werden, die ganze Zivilgesellschaft sei gefragt.

Man müsse deutlich machen, dass die AfD keine Antworten auf wesentliche Herausforderungen habe und die Gesellschaft spalte, sagte Latzel vor Journalisten. Zugleich müssten Sorgen und Fragen der Menschen ernst genommen werden. Es müsse mehr Möglichkeiten geben, mit Menschen in den Austausch zu kommen, „die anders denken als ich selber“. Für ein Parteiverbot gebe es eine hohe Hürde, das Verfahren sei zudem langwierig, warnte der rheinische Präses. Falls die AfD tatsächlich verfassungsfeindlich sei, sollten die „juristischen Instrumente“ aber auch eingesetzt werden.

Latzel appellierte an die Zivilgesellschaft, „aufzustehen für die Wahrung unseres Rechtsstaates, für den Schutz von Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen“. Die permanente Überschreitung von Grenzen dürfe nicht hingenommen werden. Die AfD schüre Ängste und Hass, widerspreche Menschenrechten und nivelliere die Verbrechen der NS-Zeit. „Die Grundhaltung dieser Partei widerspricht zutiefst dem christlichen Glauben“, betonte Latzel und fügte unter großem Applaus der Synodalen hinzu: „Die AfD ist keine Alternative, sie wäre der Abstieg für Deutschland.“

Auch der Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU), zeigte sich besorgt über das kürzliche bekannt gewordene Treffen ranghoher AfD-Politiker mit Rechtsextremen. Es könne „eine Zündschnur sein, die ganz anderes zur Explosion bringt“, warnte er vor der Synode.

In diesem Jahr wird das Europaparlament neu gewählt, zudem finden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen statt. Die AfD erzielt seit geraumer Zeit in Wahlumfragen hohe Zustimmungswerte. Latzel verwies auch auf die anstehenden Wahlen in den USA und warnte, es gebe „weltweit starke demokratiefeindliche Kräfte“. Das Recherchezentrum „Correctiv“ hatte am Mittwoch über ein Treffen von ranghohen AfD-Politikern, Neonazis und spendenwilligen Unternehmern berichtet, bei dem es um einen Plan zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland gegangen sei.

Latzel kritisierte in seinem Jahresbericht antisemitische Ausschreitungen nach dem Terrorangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel. „Antisemitismus ist Gotteslästerung“, sagte er. Angesichts sozialer Sorgen vieler Menschen, die kaum über die Runden kämen, forderte der 53-Jährige „ein Umsteuern und Umverteilen in unserer Gesellschaft“. Der Sozialstaat müsse erhalten werden, dies sei „ein Gebot der Nächstenliebe“.

Mit Blick auf Reformdebatten zur Kirche der Zukunft riet Latzel, sich künftig stärker auf die Kernaufgaben zu konzentrieren und Strukturen für eine kleiner werdende Kirche zu schaffen. Er erlebe im Moment viel Aufbruch, es gehe um „eine Wiederentdeckung unserer eigenen Hoffnungsbotschaft“, auch angesichts einer „Depressionsspirale“ in der Gesellschaft. „Ich mache mir im Augenblick mehr Sorgen um unsere Gesellschaft als um unsere evangelische Kirche“, sagte der oberste Repräsentant der zweitgrößten Landeskirche in Deutschland.

Nötige Reformen angesichts sinkender Mitgliederzahlen und schwindender Finanzkraft sind Hauptthema der Synode, die bis Freitag tagt. Am Dienstag und Mittwoch befassen sich die rund 200 Mitglieder des Leitungsorgans in nichtöffentlichen Arbeitsgruppen und Workshops intensiv mit Veränderungen und Zukunftsfragen wie Nachwuchsgewinnung, Mitgliederbindung und neue Gemeindeformen.