Die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG) hat einen Leitfaden zum Umgang mit ideologisierten Gruppen in der Öffentlichkeitsarbeit vorgelegt. Im Dialog mit radikalen oder extremistischen Gruppen „von ganz links bis ganz rechts“ seien neue Kommunikationsansätze gefragt, heißt es in einem in Berlin veröffentlichten Thesenpapier des Expertenkreises „Public Affairs“ der DPRG. Die Leiterin der Arbeitsgruppe, Isabella Pfaff, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Wahrscheinlichkeit im Alltag auf Extremisten zu stoßen, sei heute höher als vor zehn Jahren. Sie empfiehlt, dieselben konfrontativen Kommunikationsmethoden zu nutzen wie Extremisten. Die DPRG bezeichnet sich als Netzwerk von rund 2.200 professionellen Kommunikatoren und PR-Profis.
epd: An wen wendet sich Ihr Papier?
Isabella Pfaff: Es ist als Handreichung gedacht für Menschen in der Öffentlichkeitsarbeit, Public-Affairs-Berater, aber auch Journalisten, Unternehmenschefs, Verbandsvorsitzende – eigentlich für jeden, der gezwungen ist, auf einer sachlichen Ebene zum Beispiel mit Behördenvertretern zu verhandeln. Das können Unternehmen sein, die etwa eine Baugenehmigung benötigen und dann mit einem eher radikalen Gegenüber zu tun haben, das über sachfremde Themen diskutieren möchte.
epd: Ist das jetzt ein fiktives Szenario oder haben Sie Beispiele?
Pfaff: Uns liegen solche Fälle vor, auch wenn ich Ihnen keine Namen nennen darf. Unsere Kunden fühlten sich in der Situation hilflos. Sie haben ihr Gegenüber einfach reden lassen. Das gilt auch für öffentliche Veranstaltungen. Dort kann es passieren, dass eine kleine Minderheit der Anwesenden lautstark den Diskurs beherrscht. So geschehen etwa bei einem Kunden in Thüringen, wo AfD-Vertreter uneingeladen auf dem Sommerfest eines Unternehmens auftauchen. Wie sollen sie darauf reagieren?
epd: In Ihrem Papier schreiben Sie, dass dies vor allem ein ostdeutsches Phänomen sei, unterstützt durch die jüngsten Wahlerfolge etwa der AfD in Thüringen und Sachsen.
Pfaff: Wir stellen fest, dass es eine zunehmende Minderheit im Land gibt, die – um Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ zu zitieren – „den Dachstuhl anzünden wollen“ und das auch offen sagen. Es gibt eine wachsende Minderheit im Publikum, denen es offenbar egal ist, wenn der Dachstuhl brennt. Und es gibt immer noch eine Mehrheit, die aber hilflos fragt, was machen wir dagegen?
epd: Sie berufen sich in Ihrer Analyse unter anderem auf ein Zitat, das Sie dem rechtsextremen Publizisten Götz Kubitschek zuschreiben. Danach sei Ziel der Neuen Rechten nicht die Beteiligung am gesellschaftlichen Diskurs, sondern dessen Ende, „nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party“. Welchen Sinn haben Gespräche mit Menschen, von denen ich annehme, dass sie sich nur als „Party Crasher“ betätigen wollen, also das „Ende der Party“ als Ziel verfolgen?
Pfaff: Solche Gespräche haben gar keinen Sinn. Das ist auch nicht unser Ansatz. Aber die Wahrscheinlichkeit im Alltag auf Extremisten zu stoßen, ist heute höher als noch vor zehn Jahren. Und dann stellt sich die Frage: Was tue ich in dem Fall?
epd: Worin unterscheidet sich jetzt dieser Ansatz von herkömmlicher Krisenkommunikation?
Pfaff: In einer zugespitzten Krise habe ich in der Regel ein Sachproblem zu lösen. Hier habe ich aber ein ideologisches Problem zu lösen, mit Menschen, die nicht an Sachargumenten interessiert sind.
epd: Sie sprechen von „End of Party“-Gesprächen.
Pfaff: Gespräche mit Extremisten und Radikalen sind nicht ergebnisoffen, sondern folgen einem ideologischen Narrativ. Es geht diesen Gruppen nicht um den Austausch von Argumenten, sondern um die Zerstörung des Diskurses. Deshalb sagen wir: Wer argumentiert, verliert!
epd: Sie empfehlen als Strategie unter anderem, sich des „Basic Talks“ zu bedienen, eine Methode, die etwa mit Donald Trump verbunden wird. Was verstehen Sie darunter?
Pfaff: Kommunikationsverantwortliche sind in der Regel auf den „High Talk“ – also die horizontale Gesprächsebene auf Augenhöhe – sozialisiert. Wir tauschen Argumente aus, hören einander zu und gehen aufeinander ein. Das bessere Argument möge gewinnen! Die Sprachebene radikaler und extremistischer Gruppen ist aber die vertikale Kommunikation. Die Methode ist der sogenannte „Basic-Talk“. Sie zielt darauf ab, in einer Gruppe schnell deutlich zu machen, wer der Ranghöchste im Raum ist, wessen Stimme zählt, wer der Boss ist. „Basic-Talk“ zeichnet sich vor allem durch einfache, sehr kurze Sätze aus. Keine Relativsätze, keine Erklärungen, keine Begründungen, meist laut und eindringlich im Ton. Einzelne Sätze und Wörter werden oft wiederholt. Wir empfehlen, sich mit den gängigsten Techniken vertraut zu machen und diese gegebenenfalls selbst anzuwenden.
epd: Das müssen Sie erläutern!
Pfaff: Zum „Basic Talk“ gehört, dass von einem Thema zum nächsten gesprungen und verknüpft wird, was nicht zusammengehört. Wir sprechen von „Slogan Hopping“. So werden Landwirtschaft, Bildungsmisere und Bürgergeld in eine Aussage gepackt. Tatsachenbehauptungen werden in die Welt gesetzt, ohne dass ein wirklicher inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Themen besteht. Für den Zuhörer klingt es aber so. Wir raten in einem solchen Fall: Widerstehen Sie der Versuchung, diese inhaltslose Perlenkette sinnvoll auflösen und beantworten zu wollen. Das wird nicht gelingen. Besser ist es, sie fokussieren sich auf das eigene Thema.
epd: Sie warnen auch vor rhetorischen Ablenkungsmanövern durch sogenannte „Whataboutism“, also der Technik, Kritik durch den Verweis auf andere Missstände zu relativieren oder vom eigentlichen Thema abzulenken.
Pfaff: Auch hier gilt es, der Versuchung zu widerstehen. Denn es geht nicht darum, Argumente auszutauschen. Unsere Empfehlung: Selbst „Basic Talk“ anwenden. Ein einfaches „falsch“ oder „Quatsch“ reicht dann schon mal.
epd: Was empfehlen Sie angesichts dieser Analyse Parteipolitikern etwa in Koalitionsverhandlungen?
Pfaff: Gut vorbereiten und nicht überrascht zu sein, wenn ich feststellen muss, dass das einzige Interesse meiner Gesprächspartner ist, die Party zu crashen. Das gilt nicht nur für die AfD, sondern auch für die Führungsspitze des BSW. Sie haben ein ideologisches Narrativ, das sie gegen alle Argumentation durchsetzen wollen und deshalb auch nicht argumentativ offen in Gespräch gehen. Ich nenne das „Zerstörungskommunikation“.
epd: Sie raten auch, nie alleine in ein Gespräch zu gehen und für sich selbst vorab „rote Linien“ festzulegen.
Pfaff: Wichtig ist, wie gehe ich in ein Gespräch rein? Ich sehe das Gespräch als strategisches Mittel, gehe davon aus, dass ich erst einmal angemacht werde – das ist in der Politik nichts Seltenes; ich halte dagegen. Nach diesem Schlagabtausch würde es in einem normalen politischen Gespräch dann zur Sachebene übergehen. Dies ist im Gespräch mit Radikalen und Extremisten in der Regel nicht der Fall. Hier versucht der Gegenpart, die Situation weiter eskalieren zu lassen. Hier sollte jeder vorab seine Schmerzgrenze, seine rote Linie, definiert haben.
epd: Sie haben das Thesenpapier nach den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland veröffentlicht. Was erwarten Sie für den Bundestagswahlkampf?
Pfaff: Ich erwarte eine weitere Diskursverschärfung. Das wird Nachahmer finden, weil sie glauben, über die Zerstörung des Diskurses etwas gewinnen zu können. Für Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer heißt das, vorbereitet zu sein und gegenzuhalten.
epd: Sie empfehlen also eine Eskalationsstrategie. Ist das zielführend?
Pfaff: Wenn wir einer lautstarken Minderheit den Raum geben und nicht entsprechend reagieren, zerstören wir unsere Diskurskultur, die für eine Meinungsbildung so wichtig ist. Das heißt, auch als Zuschauer in einer Versammlung habe ich die Aufgabe, gegen radikale Störer im wahrsten Sinne aufzustehen.