Polizeieinsätze bei Messerstechereien sind nach Ansicht des niedersächsischen Polizeiseelsorgers Marcus Christ eine große Herausforderung für die beteiligten Beamtinnen und Beamten. „Messer sind potenziell immer gefährlich und man kann sich kaum schützen, lediglich passiv durch Tragen einer Weste“, sagte der Pastor im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Da müssen die Polizisten genau überlegen, was richtig ist. Einsatztechnisch und auch ethisch.“ Es gehe darum, andere zu schützen, ohne unnötig jemanden zu gefährden. „Das ist eine große Anforderung.“
Dies zeigten aktuelle Beispiele, sagte der Polizeiseelsorger der Konföderation Evangelischer Kirchen in Niedersachsen. So werde derzeit gegen Polizeibeamte ermittelt, die bei einer Messerstecherei in einer Kneipe nicht sofort eingeschritten seien, sondern auf eine zweite Streife gewartet hätten. In einem anderen viel beachteten Fall habe die Staatsanwaltschaft erst kürzlich nach tödlichen Schüssen auf einen Gambier die Ermittlungen gegen 14 am Einsatz beteiligte Polizisten eingestellt. Diese hätten im Rahmen der Gesetze gehandelt. Der Mann hatte die Polizisten den Angaben zufolge mit einem Messer bedroht.
Unter anderem nach belastenden Einsätzen mit Schusswaffengebrauch werde er zu Rate gezogen, sagte Christ. „Ich bin als Seelsorger zur Verschwiegenheit verpflichtet.“ Bei psychisch fordernden Einsätzen werde in der Regel ansonsten zunächst das interne Unterstützungssystem aus den Beratungsstellen der Polizei einbezogen. Doch wenn Beamte ihren Kollegen anvertrauten, dass sie im Dienst einen strafrechtlich relevanten Fehler gemacht hätten, seien die Kollegen verpflichtet, dies zur Anzeige zu bringen. Das gelte für den Seelsorger nicht.
Dass es in der Polizeiarbeit neben juristischen Fragen immer auch eine ethische Dimension gebe, sei ein Teil der Ausbildung, bei dem er als Seelsorger einbezogen sei, erläuterte Christ. An der Polizeiakademie vermittle er zudem auch praktische Themen, wie das Überbringen von Todesnachrichten. „Bei dem Thema sind alle sehr aufmerksam“, sagte er: „Das ist auch ein Angstthema.“ Manche fühlten sich für eine Situation verantwortlich, die sie nicht zu verantworten haben, denn sie wüssten, dass ihre Nachricht „das Leben eines Menschen massiv verändern“ werde. „Die Polizisten gucken dann vor allem, wo gibt es ein soziales Netz, das die Menschen auffangen kann.“