Prägen Fakten oder Gefühle den Wahlkampf? Die Debatte sei schärfer, polarisierter und populistischer als früher. Warum das der Demokratie und so den Parteien selbst schaden kann, erklärt eine Politikwissenschaftlerin.
Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach sieht im aktuellen Wahlkampf deutlich mehr Populismus als in vergangenen Jahrzehnten. Es habe noch nie eine so starke populistische Kraft gegeben habe wie nun die AfD, sagte die Wissenschaftlerin der Freien Universität Berlin der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag.
Aktuelle Studien zeigten zudem, dass die politische Mitte anfälliger für Freund-Feind-Denken, vermeintlich einfache Lösungen und populistische Rhetorik sei. Dies zeige sich auch in anderen Ländern. “Freund-Feind-Denken ist für die Demokratie gefährlich. Damit spricht man den anderen ab, legitimer Teilnehmer der Debatte zu sein und setzt sich mit den Argumenten gar nicht erst auseinander. Feinde bekämpft man”, mahnte Reuschenbach. Am meisten betreffe dies die AfD und die Grünen.
Die Stärke der Populisten beeinflusse die anderen Parteien. “Wenn bei einem langen Abend im Lokal ein Tisch die ganze Zeit rumpöbelt, laut ist, stört. Wie lange schaffen es die anderen Tische, selbst ruhig zu bleiben? Ich glaube, das Bild hilft zu verstehen, was in 13 Jahren AfD mit den restlichen Parteien passiert ist.”
Den anderen Parteien gelinge es zu schlecht, sich nicht auf das niedrige Niveau von Sprache, Argumentationen und einfachen Lösungen der AfD herabzulassen und gleichzeitig die Anliegen von AfD-Wählern ernst zu nehmen. Die Verlockung von Populismus liege darin, dass er vermeintlich ein schnelles Lösungsangebot habe. “Populistische Erzählungen wirken entlastend für eine tendenziell gestresste, krisengeplagte Bevölkerung, die sieht, dass sich bei alltäglichen Problemen wie Bahnverbindungen, dem Bürgeramt, wenig Kita-Plätze wenig tut”, sagte Reuschenbach.
Die Politologin kritisierte auch, dass Fakten in der aktuellen Debatte eine zu geringe Rolle spielten. Gleichzeitig nützten “die geilsten Fakten der Welt nichts, wenn die Leute es nicht fühlen”. Es sei die Aufgabe von Politik und Journalismus, diese Brücke zwischen Fakten und dem, was man fühlt, zu bauen. Politische Entscheidungen müssten faktenbasiert getroffen werden. Gleichzeitig sei aber auch die subjektive Wahrnehmung der Bürger zu adressieren.