Der neue Verfassungsschutzbericht zeigt: Der politische Extremismus in Deutschland nimmt deutlich zu – sowohl hinsichtlich Straftaten als auch Personenpotenzial. Immer jüngere Menschen radikalisieren sich.
In Deutschland gibt es einen sprunghaften Anstieg der Zahl politisch motivierter Straftaten und eine Zunahme potenzieller Extremisten. Das geht aus dem neuen Verfassungsschutzbericht hervor. “Die verfassungsrechtliche Ordnung in Deutschland ist fast täglich Angriffen ausgesetzt”, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) bei der Vorstellung am Dienstag in Berlin. “Wir rüsten uns gegenüber steigenden Bedrohungen, sowohl auf der Straße als auch im Netz.” Insbesondere seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sei die Cyber- und Spionageabwehr ständig und zunehmend gefordert.
Laut dem neuen Verfassungsschutzbericht wurden im vergangenen Jahr 84.172 politisch motivierten Straftaten registriert, ein Plus von gut 40 Prozent gegenüber 2023. Die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund stieg um 47,4 Prozent auf 37.835. Die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten stieg um 37,9 Prozent auf 5.857 Delikte. 1.694 extremistische Straftaten hatten laut Bundeskriminalamt (BKA) eine religiös-ideologische Motivation; 1.397 Taten davon einen islamistischen Hintergrund. Zudem wurden 50.250 potenzielle Rechtsextremisten (2023: 40.600) und rund 38.000 potenzielle Linksextremisten (2023: 37.000) gezählt. Dem Bereich Islamismus/islamistischer Terrorismus ordnen die Verfassungsschützer 28.280 Personen (2023: 27.200) zu.
Dobrindt sprach mit Blick auf den Rechtsextremismus von einer “erschreckenden Zahl”. Die Zahl der Rechtsextremisten habe in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich zugenommen und sich mehr als verdoppelt. Von den nunmehr über 50.000 Rechtsextremisten seien 15.300 gewaltorientiert, ebenfalls eine deutliche Steigerung. “Es ist ein dramatischer Befund, dass das auch in dieser Geschwindigkeit vorangeht.”
Laut dem Vizepräsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Sinan Selen, spricht der politische Extremismus zunehmend Jugendliche an: “Wir sehen immer jüngere Menschen, die sich online radikalisieren, angeleitet werden und mitunter zu Aktionen übergehen.” Die Verfassungsschützer beobachten den Trend sowohl im Bereich des Rechtsextremismus als auch des Islamismus.
Das sei eine besondere Herausforderung, weil die Jugendlichen nicht über einen langen Zeitraum ideologisch geprägt würden, sondern sich sehr schnell radikalisierten und auch die Bereitschaft entwickelten, “zur Tat überzugehen”, so Selen. “Was uns im Bereich Rechtsextremismus besonders beschäftigt, sind junge, äußerst gewaltaffine und radikalisierte Online-Subkulturen.” Eine besondere Rolle spielten etwa die Organisationen “Jung und Stark” sowie “Deutsche Jugend voran”. Auch die Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS) wende sich gezielt an junge Menschen mit den Themen Naher Osten und palästinensische Gebiete.