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Philosoph: Wofür Thomas von Aquin heute noch Vorbild ist

Er war einer der ersten europäischen Intellektuellen. Und würde bei heutigen Debatten oft einwenden: Vor Gebrauch des Mundwerks Gehirn einschalten. Thomas von Aquin taugt auch heute noch als Vorbild.

Der mittelalterliche Theologe und Philosoph Thomas von Aquin (1225-1274) ist nach Aussage des Kölner Philosophen Andreas Speer bis heute ein Vorbild präzisen Denkens und Redens. “Formuliere präzise, trau dich zu denken! Und: erst denken, dann reden!”, sei Thomas’ Motto gewesen, sagte Speer im Interview mit der Deutschen Welle (Mittwoch). “Bevor man eigene Auffassungen formuliert, sollte man schauen, was es an Argumenten gibt. Thomas hat den damaligen Diskussionsstil in der Art, wie er seine Argumente präzisiert, perfektioniert.”

Der vor 750 Jahren gestorbene Dominikanermönch, der in Köln, Paris und Neapel lehrte, habe oft “anspruchsvoll und intelligent und doch zupackend und in einem sehr kurzen Format, quasi auf TikTok-Länge” formuliert. Angesichts der heutigen Debattenkultur in Fernsehen und Social Media, würde Thomas – so Speer – Denkdisziplin anmahnen. Neben fundierten Argumenten für die eigene Meinung brauche es Kredit und Verständnis für die andere Seite.

In der Auseinandersetzung mit muslimischen und jüdischen Denkern der damaligen arabischen Welt sei Thomas von Aquin quasi zum ersten christlichen Intellektuellen geworden. Selbst bei einem Thema wie Künstlicher Intelligenz (KI) “wäre Thomas ein exzellenter Gesprächspartner”, so Speer. Die aktuelle KI-Debatte sei nicht weit entfernt von der Frage des Thomas, “was der menschliche Intellekt ist, was Intelligenz ist”. So habe der Theologe dafür geworben, “Intelligenz nicht auf die menschliche Vernunft zu begrenzen”.

Weil es Thomas von Aquin stets um Wahrheit ging, stünde er Fake News besonders kritisch gegenüber. “Wer vorsätzlich lügt und falsche Meinungen verbreitet, widerspricht im Grunde der menschlichen Vernunft”, so Speer. “Damit träte die Vernunft mit sich selbst in einen Widerspruch. Für ihn ist das eines der schlimmsten Vergehen, das ein Mensch begehen kann.”

Negative, defizitäre Aussagen des Thomas etwa über die Frau sind nach Speers Aussage dem damaligen Stand der Philosophie und Wissenschaft geschuldet. Darin unterscheide sich der Philosoph nicht von anderen großen Denkern seiner Zeit. “Wir sind immer nur so klug wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse unserer Zeit. Darüber sollten wir heutzutage nicht gar zu erhaben urteilen.”