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Phantom des “Uffrurs”

Er zettelte drei Bauernaufstände an, rief zum „Uffrur“ gegen Adel und Geistlichkeit auf, die die kleinen Leute mit Abgaben und Frondiensten niederdrückten. Joß (Jodocus) Fritz, geboren 1470 im damals speyerischen Untergrombach bei Bruchsal, gilt als eine der bekanntesten Persönlichkeiten der Bauernkriege vor 500 Jahren. Der Mitgründer der revolutionären „Bundschuhbewegung“ im Südwesten schlüpfte seinen Häschern immer wieder durch die Finger. Er starb wohl im Frühjahr 1525 – als die erste Massenerhebung in Deutschland vor allem im Süden ihren Höhepunkt erreichte.

Joß Fritz, ein Leibeigener des Bischofs zu Speyer, ist sagenumwoben: Schulen und Straßen wurden nach ihm benannt, Theaterstücke über ihn geschrieben. Doch nur wenig weiß man über den Bauernführer, sagt Thomas Adam: „Er ist ein Phantom geblieben.“ Der Kulturabteilungsleiter der Stadt Bruchsal legte vor mehr als 20 Jahren die erste Joß-Fritz-Biografie überhaupt vor – und hat sie nun mit quellenkritischem Blick neu überarbeitet. „Die Heldengestalt schrumpft“, bilanziert er.

Seit dem 19. Jahrhundert wurde Joß Fritz politisch vereinnahmt, von links wie rechts. Als Sozialrevolutionär besingt ihn der Liedermacher Franz Josef Degenhardt in seiner Ballade „Legende von der revolutionären Geduld und Zähigkeit und vom richtigen Zeitpunkt“. Den deutschen Nationalisten erschien der Protagonist der Bauernkriege des 16. Jahrhunderts hingegen als ein Vorkämpfer für eine starke Nation. Und noch heute gilt er manchen als Fürsprecher der Armen und Entrechteten: als Che Guevara oder Robin Hood aus dem Südwesten Deutschlands.

Sicher war Joß Fritz kein blutgieriger Umstürzler, als Unterhändler der Bauernschaft habe er jedoch Missstände beseitigen wollen, erläutert Adam. Um 1500 herrschte in Südwestdeutschland nach Pest und Missernten eine Lebensmittelknappheit, Unruhe machte sich in der weitaus größten Bevölkerungsgruppe breit. Besonders die wohlhabenden Bauern befürchteten einen sozialen Abstieg, erzählt Buchautor Adam. Zunehmend selbstbewusst riefen sie nach mehr Freiheitsrechten.

Im damaligen Hochstift Speyer hob Joß Fritz 1501/1502 in Untergrombach und Bruchsal die Bundschuhbewegung aus der Taufe, einen Geheimbund, dem sich 7.500 Männer und Frauen zwischen Rhein und Neckar angeschlossen haben sollen. Der Name bezieht sich auf den einfachen Schnürschuh der Bauern – im Gegensatz zu den Stiefeln der Obrigkeit.

Die Bauern erwarteten von dem Speyerer Bischof Ludwig von Helmstatt, die Frondienste zu verringern und die Kirchengüter an das Volk zu verteilen. Auch sollten nur Kaiser und Papst alleinige Herren sein. Dabei beriefen sie sich auf das „göttliche Recht“, ihre Bundschuhfahne zierten auch religiöse Symbole. Eine persönliche Glaubensfreiheit, wie sie später die Reformatoren forderten, hätten die Aufständischen aber kaum im Sinn gehabt, ist Adam überzeugt.

Joß Fritz floh, nachdem der Plan für einen ersten Bundschuh-Aufstand an den Speyerer Bischof verraten wurde. Viele seiner Mitverschwörer wurden hingerichtet. Immer wieder tauchte der Bauernführer am Oberrhein, im Breisgau und im benachbarten Elsass auf, er heiratete eine Bauerntochter, arbeitete zeitweise als Bannwart. Weitere von ihm 1513 und 1517 initiierte Aufstände wurden grausam niedergeschlagen. „Die sogenannten Bauernkriege waren vor allem ein Krieg der Oberen gegen die Bauern“, macht Adam deutlich.

Beim großen Bauernkrieg 1525 versuchte der Speyerer Bischof Georg, die Unruhen über Verhandlungen mit den Aufständischen beizulegen und traf mit ihnen im Kloster Herrenalb zusammen. Andere führende Köpfe des deutschen Adels reagierten weniger diplomatisch: Der pfälzische Kurfürst aus Heidelberg sah die Chance, seine Vormacht in der Region zu festigen und rückte mit seinen Soldaten an. Joß Fritz soll zu dieser Zeit, im Winter 1524 auf 1525, letztmals bei aufständischen Bauern im Klettgau im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet gesehen worden sein – dann verliert sich seine Spur.