Es sind Nachrichten, die einem einen Schauer über den Rücken jagen: In einem Hotel bei Potsdam trafen sich alte und neue Rechte, um ernsthaft darüber zu beraten, wie sie Millionen Menschen am besten aus Deutschland vertreiben. Zynischerweise nennen sie es „Remigration“ – ein Begriff, der zurecht zum „Unwort des Jahres“ gewählt worden ist.
Nun haben sich im feinen Landhaus Adlon nicht nur ein paar Phantasten ihre Gedanken gemacht. Unter den Gästen waren nach Medienberichten auch hochrangige AfD-Vertreter, zum Beispiel Roland Hartwig, der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel. Insofern ist es kein Wunder, dass übers Wochenende die Debatte hochgekocht ist, wie diesem Wahnsinn beizukommen ist. In der Diskussion sind zwei Instrumente der wehrhaften Demokratie: ein AfD-Parteiverbot und ein Entzug der Grundrechte gegen einzelne Mitglieder, allen voran gegen Björn Höcke, den Spitzenkandidaten der AfD bei den Wahlen in Thüringen im September. Beide Wege werden aber keinen kurzfristigen Erfolg bringen.
Geheimtreffen mit AfD-Vertretern bringt keine Beweise
Das Grundgesetz setzt bekanntlich hohe Hürden für ein Parteienverbot, nicht mal im Falle der NPD hat es gereicht, diese von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Und so richtig die Aufregung über das Geheimtreffen in Potsdam und die „Remigrations“-Pläne ist: Gerichtsfeste Beweise für ein Verfahren sind es nicht. Da muss der Verfassungsschutz aktiv werden.
Ist ein AfD-Verbot sinnvoll?
— Evangelische Zeitung (@Evangelische) January 15, 2024
So lange ein Verbotsverfahren laufen würde, würde die AfD das machen, was sie ohnehin am besten kann: die Opferrolle spielen. Und es ist zu befürchten, dass ihr das noch mehr Zulauf bringen würde. Was wirklich hilft gegen diese Partei, ist ein Schulterschluss aller demokratischen Parteien. Da ist es ein katastrophales Signal, dass CDU und FDP im Thüringer Landtag im September gemeinsam mit der AfD für die Senkung der Grunderwerbssteuer stimmten.
Gegen den Nazi Björn Höcke richtet sich eine Online-Petition, die ihm Grundrechte entziehen soll, allen voran Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit. 808.000 Menschen haben sie digital unterzeichnet. Ein Entzug einzelner Grundrechte macht deutlich mehr Sinn als ein Parteienverbot. Denn er ist viel zielgerichteter, sodass nicht die gesamte Partei weiter das Opfer geben kann. Auch die Beweisführung in einem Verfahren gegen Höcke erscheint einfacher, denn von ihm liegen rechte Zitate in Hülle und Fülle vor. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin hält er etwa für ein „Denkmal der Schande“.
Keine Entscheidung vor Thüringen-Wahl
Ein Verlust von Grundrechten könnte auch dazu führen, dass Höcke keine politischen Ämter mehr ausüben darf, was ein Segen wäre. Und doch hilft es mit Blick auf die Wahlen in Thüringen nicht weiter. Viermal hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Anträge auf Verluste von Grundrechten gegeben – viermal hat das Bundesverfassungsgericht sie abgelehnt, und zwar frühestens nach einer Dauer von vier Jahren. Es ist also absolut unwahrscheinlich, dass das Karlsruher Gericht noch vor der Wahl am 1. September entscheiden würde. Deshalb bleibt es umso wichtiger, dass wir als Zivilgesellschaft gegen rechte Auswüchse weiter auf die Straße gehen.