Extreme Ungleichheit prägt eine Reihe von Ländern weltweit. Dazu gehören nach Einschätzung von Ökonom Paul Collier nicht nur Staaten in Afrika und Zentralasien. Auch die englische Provinz ist abgehängt.
Paul Collier, Professor an der englischen Universität Oxford, hat vor steigender Armut in einigen Ländern Afrikas und Zentralasiens gewarnt. Dort konzentriere sich die bitterste Armut der Welt, sagte er der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Donnerstag). Diese würde in den kommenden zehn Jahren noch stärker und die Kluft zum Rest der Welt noch größer werden.
Nach einer “goldenen Dekade” von 2003 bis 2014 mit einem Rohstoffpreisboom habe 2019 eine “Polykrise” mit Covid, durch den Ukraine-Krieg verursachte Energiepreisschocks und der Klimakrise eingesetzt. “Die wissenschaftlichen Belege zeigen, dass die unterste Milliarde weiter zurückfällt”, so der Ökonom, dessen Buch “Aufstieg der Abgehängten” im Oktober erschien.
Allerdings verzeichneten einige Ländern wie Botswana, Ghana und die Elfenbeinküste eine bessere Entwicklung. In Asien habe Bangladesch “eine sehr ermutigende wirtschaftliche Entwicklung durchgemacht. Der jüngste Sturz der Regierung dort zeigt aber exemplarisch, wie fragil diese Länder sind”, so Collier.
Geldgebern aus dem Globalen Norden empfiehlt der 77-Jährige, Afrikanern keine Predigten zu halten, was sie tun sollen. “Wir sollten ihnen nicht drohen, ihnen kein Geld mehr zu geben, wenn sie nicht tun, was wir wollen. Und wir sollten sie nicht bestechen.” Stattdessen müsse es Bedingungen für Entwicklungsgelder geben: gute Regierungsführung. Viele Regierungen würden allerdings nicht ernsthaft versuchen, die Lage in ihren Ländern zu verbessern. Sie bereicherten sich nur selbst oder ihre Anhängerschaft.
Extreme Ungleichheit gibt es laut Collier aber auch in Europa, etwa in Großbritannien. Es gebe eine riesige Kluft zwischen der boomenden Weltstadt London und dem großen Rest, der englischen Provinz, also Nordengland, den Midlands und auch Wales. “Deutschland besitzt einen viel breiter verteilten Wohlstand.” Anders als Großbritannien sei es politisch und wirtschaftlich viel dezentraler organisiert. Auch besitze Deutschland regionale Banken, die lokale Investitionen und Unternehmen unterstützten.
In den jüngsten Krawallen in Großbritannien habe es zwar ein Element des Rassismus gegeben. Collier deutete sie aber als Zeichen der Verzweiflung. Asylbewerber würden zu erheblichen Kosten in Hotels untergebracht, während sich die Bewohner der Orte vernachlässigt fühlten. “Die Tragödie der armen Regionen wird oft übersehen. Sie hat auch zum Brexitvotum beigetragen.”