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Organspende: FDP für andere Todesdefinition – Kritik von Ethiker

Bisher muss der Hirntod festgestellt werden, bevor eine Organspende möglich ist. Künftig soll dazu nach dem Willen der FDP auch ein Herz-Kreislauf-Stillstand ausreichen. Ethiker Lob-Hüdepohl ist skeptisch.

Die FDP-Fraktion im Bundestag spricht sich für eine Ausweitung der Todesdefinition als Voraussetzung für die Organspende aus. Demnach soll künftig auch der Herz-Kreislauf-Stillstand Grundlage für eine Organentnahme sein – bisher musste zwingend der Hirntod nachgewiesen werden. Das geht aus dem Entwurf eines Positionspapiers hervor, das am Dienstag von der FDP-Fraktion beschlossen werden soll und das der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) vorliegt. Die “Welt” berichtete zuerst darüber.

Ziel der erweiterten Definition sei es, die in Deutschland weiterhin geringe Zahl der Organspenden zu erhöhen. “Noch immer steht der Anzahl an Organspendern ein Vielfaches an Menschen auf der Warteliste gegenüber: Ende 2023 warteten 8.716 Menschen auf ein rettendes Spenderorgan”, sagte FDP-Rechtspolitikerin Katrin Helling-Plahr der Zeitung.

Viele der Wartenden müssten sterben, ohne je ein Spenderorgan zu erhalten, fügte sie hinzu: “Deshalb wollen wir die bereits bestehende Möglichkeit einer Organspende nach einem Hirntod um die zusätzliche Option einer selbstbestimmten Organspende auch nach Herz-Kreislauf-Tod ergänzen.”

Potenzielle Spender sollen ihren Willen dann über ein explizit dafür vorgesehenes zusätzliches optionales Feld im Organspende-Register oder auf Organspendeausweisen festhalten können, ergänzte Helling-Plahr.

Nur wenige Patienten erleiden auf der Intensivstation einen Hirntod, also den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen. Die meisten sterben an Herz-Kreislauf-Versagen. In Ländern wie Großbritannien, Spanien, Niederlande, Belgien, Schweiz und USA sind Organspenden nach Herz-Kreislauf-Stillstand bereits erlaubt und führten zum Teil zu einem Anstieg der Organspenden.

In Deutschland dagegen gaben Mediziner bisher oft zu bedenken, die Feststellung des Herz-Kreislauf-Todes berge ein höheres Risiko für Fehldiagnosen. Diese Einschätzung gelte bei vielen Wissenschaftlern mittlerweile als überholt, sagte Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Der Tod nach einem anhaltenden Kreislaufstillstand sei medizinisch mit dem Hirntod gleichzusetzen.

Der Moraltheologe und Ethiker Andreas Lob-Hüdepohl, warnte dagegen vor übereilten Änderungen. “Ob ein Herz-Kreislauf-Tod als Kriterium für den endgültigen Tod eines Menschen ausreicht, ist durchaus umstritten”, sagte er der KNA.

Wenn überhaupt, dann sei der Herz-Kreislauf-Tod als ausreichendes Todeskriterium nur unter drei Voraussetzungen legitim: Erstens müssten etwaig ergriffene Reanimationsmaßnahmen erfolglos geblieben sein. Oder die betroffene Person müsse zweitens auf jegliche Reanimationsversuche verzichtet oder diese über eine Notfall-Patientenverfügung kategorisch verboten haben. Und drittens müsse die betroffene Person einer Organspende nach erfolgtem Herz-Kreislauftod ausdrücklich zugestimmt haben.

Damit müssten aber alle derzeit wieder aufflammenden Überlegungen zu einer Widerspruchslösung vom Tisch genommen werden, so Lob-Hüdepohl. Er befürchte, dass durch einen gewissen Graubereich des Herz-Kreislauftodes in der Öffentlichkeit eine Verunsicherung entstehe, die die Bereitschaft zur Organspende sinken lasse. Dem könne man nur begegnen, wenn man offensiv aufkläre und an einer proaktiven Entscheidung für eine Organspende festhalte. Es dürfe keinesfalls der Eindruck entstehen, man ginge leichtfertig mit dem Todeskriterien um, nur um eine prekäre Marktlage an Organe zu beheben.