Anfangs hat man sie belächelt. „Man fand uns putzig“, erinnert sich Carmen Henningson. Davon ließen sich die Omas gegen Rechts nicht irritieren. Heute sind sie längst eine bekannte zivilgesellschaftliche Bewegung, die ernst genommen wird. Sie setzen sich ein für Demokratie, Vielfalt, für Toleranz und ein respektvolles Miteinander – und gegen rechtspopulistische Strömungen, gegen jegliche Stigmatisierung, gegen alle Formen von Gewalt. Ihre Gegner, seien es Nazis, die AfD oder Friedrich Merz, greifen sie auf verschiedene Weise an und versuchen sie einzuschüchtern.
Bundesweit gibt es nach eigenen Angaben rund 300 Regionalgruppen mit mehr als 40 000 Omas. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, denn es entstehen immer noch zahlreiche neue Gruppen. Eine davon hat sich 2019 in Detmold (Nordrhein-Westfalen) zusammengefunden. Zu ihr gehören Carmen Henningson (71) und Brigitte van Ahee (73) mit etwa fünfzig ständig aktiven Frauen.
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Dass die Detmolderinnen kein Verein sind, ist ihnen wichtig: „Wir sind eine Bewegung.“ Satzung, Vorstandswahlen, Mitgliederversammlungen, Protokolle – „all das brauchen wir nicht“. Auch keine Schatzmeisterin, die die Vereinskasse hütet. Stattdessen gibt es eine Keksdose, in die jede nach eigenem Ermessen ihren Beitrag einlegt. „Und das genügt“, sagt Carmen Henningson: „Unsere Buchhaltung passt wirklich auf einen Bierdeckel.“ Dass auch ihre Besprechungen unkompliziert und zügig verlaufen, liegt nach Überzeugung der beiden daran, dass hier Frauen unter sich sind. „Wir haben nichts gegen Männer, aber wenn sie mitreden, wird’s schwerfälliger“, meint Brigitte van Ahee, die als Übersetzerin gearbeitet hat. Sie kennt das aus ihrem Berufsleben. „Keine von uns muss sich profilieren. Wir brauchen uns gegenseitig nichts zu beweisen.“
Nach Parteizugehörigkeit wird ebenso wenig gefragt wie nach Religion. Doch sie wissen – man kennt sich ja –, dass sich nicht wenige von ihnen aus christlicher Überzeugung engagieren, auch eine Pfarrerin ist dabei. Sicher auch kein Zufall, dass ihre Treffen in einem evangelischen Gemeindehaus stattfinden. Sie sind mit regelmäßigen Flashmobs auf dem Detmolder Marktplatz unterwegs. Vor der Europawahl 2024 riefen sie mit vielen anderen dazu auf, für ein solidarisches Europa zu stimmen. In Schulen werden sie eingeladen, auch in Konfigruppen treten sie auf.
Weil in Detmold der Eigentümer einer Synagoge von 1633, der ältesten ihrer Art in Nordwestdeutschland, das Baudenkmal abreißen will, wandten sich die Omas an Bundespräsident Steinmeier, der daraufhin zum respektvollen Umgang mit dem jüdischen Erbe in Deutschland mahnte. Und als der Detmolder Stadtführer Daniel Wahren, der Geschichtsrundgänge zur NS-Vergangenheit anbietet, von rechtsextremen Störern bedroht wurde, waren die Omas zur Stelle und bildeten einen schützenden Kordon um Wahren – die Störer kamen nicht zum Ziel.
Aufbegehren gegen die rechtsnationale FPÖ
Angefangen hat alles in Österreich. Die Wienerin Monika Salzer gründete 2017 die erste Gruppe, nachdem die Regierung von Kanzler Sebastian Kurz mit der rechtsnationalen FPÖ koalierte. Ein Jahr später fanden sich auch in Deutschland die ersten Omas gegen Rechts zusammen. Seit 2019 besteht der Verein Omas gegen Rechts Deutschland e.V. mit Sitz im württembergischen Nagold, der den einzelnen Gruppen eine rechtlich geregelte Struktur anbietet, ohne sich in ihre Eigenständigkeit einzumischen. Der Vereinsstatus bietet „bessere Möglichkeiten, unsere Ziele umzusetzen“, heißt es auf der Homepage. Der Verein versucht auch, das Gemeinnützigkeitsrecht zu ändern, denn bislang ist er nicht als gemeinnützig anerkannt.
Die 1. Vorsitzende Anna Ohnweiler, eine Rumäniendeutsche, hat Ceaușescus Gewaltherrschaft erfahren und sagt: „Ich weiß genau, was eine Diktatur für die Bürger eines Landes bedeutet, deshalb werde ich mich immer für den Erhalt der Demokratie einsetzen.“ Und Schriftführerin Irene Fromberger erklärt: „Wir haben seinerzeit unsere Eltern gefragt, was sie gegen die Nazis getan hatten. Denn wissen um dieses verbrecherische Regime konnten ab einem gewissen Zeitpunkt alle Bürger dieses Landes. Derlei Fragen möchte ich mir von nachkommenden Generationen nicht stellen lassen müssen, ohne eine aufrechte und glaubwürdige Antwort geben zu können.“
Kleine Anfrage der Unions-Parteien galt auch den Omas gegen Rechts
Auch die Detmolder Omas gingen auf die Straße, nachdem die CDU im Bundestag zweimal AfD-Stimmen in Kauf genommen hatte. Wenig später brachte Friedrich Merz mit seiner Fraktion eine Kleine Anfrage in den Bundestag ein, die in 551 Fragen Auskunft über Förderungen für verschiedene Organisationen verlangte, allen voran Omas gegen Rechts Deutschland e.V. Nach parteipolitischen Verflechtungen wurde gefragt, nach staatlichen Mitteln, möglichen Zweckentfremdungen, nach dem Neutralitätsgebot. Aus der Antwort der beiden Vorsitzenden des Vereins spricht Fassungslosigkeit. Merz habe ungeprüft falsche Informationen übernommen, schreiben Anna Ohnweiler und Jutta Shaikh. Der Verein bekomme keine staatliche Unterstützung. Das Neutralitätsgebot werde gegenüber allen demokratischen Parteien respektiert – Ausnahme: die AfD, die „unsere Demokratie von innen aushöhlen und zerstören“ wolle. Deshalb stehe „der Schutz unserer rechtsstaatlichen Demokratie und der im Grundgesetz garantierten Werte über dem Neutralitätsgebot“.