Die Debatte in Deutschland über das politische Engagement von Nichtregierungsorganisationen wirkt im Vergleich zu Nicaragua zahm und vorsichtig. Dort hat die Ortega-Regierung längst Fakten geschaffen.
Es entwickelt sich zu einem weltweiten Trend: US-Präsident Donald Trump will die US-Entwicklungsbehörde USAID abwickeln. In Deutschland hat die Noch-Oppositionspartei CDU angekündigt, Zahlungen an Nichtregierungsorganisationen (NGO) transparent überprüfen lassen zu wollen. Somit hat die Debatte über politische oder finanzielle Abhängigkeiten oder eben Unabhängigkeiten von NGOs nun auch Berlin erreicht. Aber keine Regierung ist in den vergangenen Jahren so weit gegangen wie die linksextreme Regierung in Nicaragua. International hat das jedoch bisher kaum Beachtung gefunden.
Doch stimmen die Zahlen, die das mittelamerikanische Magazin “Summa” Ende Januar zusammentrug, dann hat das sandinistische Präsidentenpaar Daniel Ortega und Rosario Murillo in Nicaragua seit 2018 insgesamt 5.600 Nichtregierungsorganisationen schließen lassen. Das Vorgehen ist nahezu immer gleich: Die Organisation wird unter Druck gesetzt, um “freiwillig” einen juristischen Antrag auf Auflösung zu stellen, dem die linientreue Justiz dann umgehend zustimmt. In anderen Fällen werden die NGOs erst gar nicht mehr beteiligt. Stattdessen kommt die Polizei direkt für eine Zwangsräumung.
Unter den betroffenen Organisationen sind auch prominente Vertreter wie Save the Children. In der Regel agiert die Hilfsorganisation unpolitisch, äußert sich nicht zur aktuellen Politik und kommentiert Entscheidungen der Regierung nicht. Stattdessen versucht sie, Kindern in Armenvierteln den Alltag erträglicher zu machen.
Weil Nicaragua die Gesetze und finanziellen Anforderungen verschärfte, zog sich Save the Children Ende Januar zurück. “Die derzeitigen finanziellen Herausforderungen hindern uns daran, unsere Programme auf effektive und nachhaltige Weise fortzusetzen”, hieß es in einer Stellungnahme.
Nachdem es praktisch keine Nichtregierungsorganisationen mehr gibt, hat die Ortega-Regierung ihre Attacken auf internationale Institutionen erweitert: Auch die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) geriet in den Fokus. Die “sofortige” Schließung der FAO-Vertretung in der Hauptstadt Managua wurde angeordnet.
Das angebliche “Vergehen” der FAO: In ihrem jüngsten Bericht über die Länder mit der größten Hungersnot weltweit taucht auch Nicaragua auf. Vizepräsidentin Rosario Murillo, zugleich Lebensgefährtin des Präsidenten, erklärte erbost: In Nicaragua gebe es keinen Hunger. Zumindest gibt es nun keine FAO-Vertretung mehr, die darüber berichten könnte.
Der Feldzug gegen die NGOs begann im Jahr der historischen Massenproteste 2018. Damals waren zunächst Studenten und Umweltaktivisten auf die Straße gegangen und hatten gegen eine Brandrodung in einem Naturschutzgebiet demonstriert. Öffentlich mutmaßten sie, dass die so “gewonnen” Grundstücke an Besitzer gingen, die der Familie Ortega nahestehen. Aus den Studentenprotesten entwickelten sich Massendemonstrationen und plötzlich stand die Macht des ganzen Regimes in Frage.
Die sandinistische Regierung reagierte mit brutaler Gewalt, ließ auf die Demonstranten schießen. Mehrere Kirchenvertreter erhoben die Stimme und öffneten die Gotteshäuser, damit sich die überwiegend jungen Demonstranten vor dem Kugelhagel schützen konnten; mit enormen Konsequenzen. Fortan geriet die katholische Kirche ins Visier der Machthaber. Priester und Bischöfe wurden verhaftet und Ordensgemeinschaften zum Verlassen des Landes aufgefordert.
Folglich wurde auch die Landschaft kirchlicher Hilfsorganisationen gezielt zerstört. Das Ergebnis: Heute gibt es kaum noch eine zivilgesellschaftliche Stimme im Land, selbst regierungskritische Medienhäuser haben ihren Sitz ins Exil verlegen müssen, um ihre Portale retten zu können.
Sie sehen sich nun einer neuen, unerwarteten Gefahr ausgesetzt: Weil die Trump-Regierung USAID-Mittel einfriert, bedroht der finanzielle Engpass den Fortbestand zahlreicher exil-nicaraguanischer Organisationen und Exil-Redaktionen.