Während der Sanierung des weltberühmten Lutherhauses will Wittenberg den Reformator auf andere Weise vorstellen. Eine Sonderschau präsentiert Martin Luthers Leben und seine Wirkungsgeschichte von A bis Z.
Eine Quietscheente ist das ungewöhnlichste Exponat in Wittenbergs neuer Luther-Ausstellung. Das gelb-schwarze Bade-Utensil mit dem typischen Barett des Reformators steht für die kitschigen Souvenirs, die an einen Besuch in der Lutherstadt erinnern sollen. Auch die Herkunft dieses Ausstellungsstücks überrascht: Es stammt von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Mit der Leihgabe des CDU-Politikers war das Kuratorinnen-Team um die Leiterin der Wittenberger Museen, Anne-Katrin Ziesak, die Sorge los, ein inhaltlich sinnvolles Exponat für den Buchstaben “Q” zu finden. Denn in der Ausstellung “Buchstäblich Luther” wollen sie “Facetten” von Leben und Wirkungsgeschichte des Reformators alphabetisch strukturiert – von A bis Z – vorstellen.
In der ab diesem Freitag im Augusteum, dem Nachbarbau des weltbekannten Lutherhauses, geöffneten Schau gelingt ihnen dies auf oft unterhaltsame und zugleich wissenschaftlich fundierte Weise. Während der sanierungsbedingten Schließung des Lutherhauses und seiner Dauerausstellung schlägt die neue Schau einen Bogen vom Stichwort “Askese”, die über Luthers frühe Jahre als Augustinermönch informiert, bis zum Begriff “Zuhause”, in dem es unter anderem um die Rolle des Reformators als Vater einer großen Familie geht.
Dazwischen kommen die historisch wichtigen Aspekte seines Lebens nicht zu kurz: So steht Luthers Predigtkanzel aus der Wittenberger Stadtpfarrkirche – das älteste Exponat – für die viel beachteten Ansprachen des Reformators. Ein Ölgemälde von 1864 – das größte Ausstellungsstück – zeigt Luthers Auftritt vor Kaiser Karl V. auf dem Wormser Reichstag von 1521, wo seine berühmten Worte “Hier stehe ich, ich kann nicht anders” gefallen sein sollen.
Nicht nur bei dieser Station stellt die Ausstellung heraus, wie viel im Leben des Reformators legendär und nicht historisch nachweisbar ist. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall: So widerlegt ein Feigenkern, der bei Ausgrabungen an Luthers Mansfelder Elternhaus gefunden wurde, seine Aussage, aus armen Verhältnissen zu stammen. Das kleinste Exponat der Schau beweist, dass die Bergmannsfamilie Luther sich die damals teuren Import-Früchte durchaus leisten konnte. Unbestreitbar ist dagegen Luthers wachsende Judenfeindschaft. Zwei Originalschriften in der Ausstellung belegen, wie sie sich nach vergeblichen Missionierungsversuchen zu Forderungen nach Vertreibung und Vernichtung steigerte.
Zwei weitere Ausstellungsstücke illustrieren die – trotz seiner widersprüchlichen Charakterzüge – bis heute weltweite Ausstrahlung Luthers. So stellt ihn ein Rollbild, mit Tusche auf Seide vom koreanischen Künstler Cho Yong-Jin für das Reformationsjubiläum 2017 geschaffen, im traditionellen Gewand eines konfuzianischen Gelehrten dar.
Die Verehrung des Reformators über Deutschland hinaus dokumentiert auch ein Holzspan, den eine amerikanische Touristin Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Dielenboden der “Lutherstube”, dem zentralen Raum des Lutherhauses, gelöst und in ihre Heimat mitgenommen hatte. Er steht für die Suche an “Reliquien” aus der Reformationszeit und kam erst 2014 in die Sammlung der LutherMuseen zurück. Mit Hilfe einer Video-Installation ist die Lutherstube in der Ausstellung auch visuell erlebbar.
Bis heute ist das Interesse an Luther ungebrochen, wie Sachsen-Anhalts Kulturminister Rainer Robra (CDU) bei der Vorstellung der Schau betonte. Die Besucherzahlen von 2019, der Zeit vor der Pandemie, seien bereits wieder erreicht.