Peter Krauss-Hoffmann arbeitet für die nordrhein-westfälische Landesregierung und berät in Sachen Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung im Betrieb. Seit 2017 ist der Hagener im Landesinstitut für Arbeitsgestaltung auf dem Gesundheitscampus NRW tätig. Daneben engagiert er sich auf Landesebene im evangelischen Arbeitskreis der CDU. Im Interview mit Bernd Becker spricht er über flexible Arbeitsmodelle, Home Office, die Coronakrise und christliche Werte.
• Homeoffice ist derzeit in aller Munde. Wie stehen Sie zu dieser Arbeitsform?
Zunächst mal heißt das ja schlicht, dass Beschäftigte einen Teil ihrer Arbeit zu Hause erledigen. Mit Kolleginnen und Kollegen sowie dem Arbeitgeber sind sie dabei über Telefon und Internet verbunden. In großen Firmen gehört das oft schon länger zum Büroalltag, bei kleinen oder mittleren Unternehmen war es bisher nicht sehr verbreitet. Das hat sich durch die Coronakrise deutlich geändert. Und das finde ich gut, denn wir brauchen hier in Deutschland mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Experimentierräume für die zukunftsgerechte Arbeit.
Allerdings müssen auch die Arbeitsbedingungen für mobiles Arbeiten daheim stimmen. Zudem sind neue Formate für die Kommunikation gefragt. In meinem Team zum Beispiel treffen wir uns neben rein dienstlichen Telefonkonferenzen und Video-Besprechungen regelmäßig zu einer virtuellen Kaffeerunde. Wenn alle zuhause am Computer sitzen, entfallen ja die Gespräche auf dem Flur, die auch wichtig sind. So etwas muss bedacht werden.
• Ist Homeoffice denn aus Ihrer Sicht überhaupt arbeitnehmerfreundlich?
Hierzulande wird das oft noch skeptisch gesehen. In vielen Ländern Europas gibt es interessanterweise sogar ein Recht auf Homeoffice. Da muss der Arbeitgeber zumindest prüfen, ob es möglich ist. Aus meiner Sicht bietet Homeoffice viele Vorteile. Ich denke da zum Beispiel an eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Arbeiten von zu Hause ist aber nicht nur für Eltern interessant, auch fällt zum Beispiel Pendeln weg. Das spart Zeit, senkt den Stresspegel und schont unsere Umwelt. Manche können zuhause auch ungestörter und konzentrierter arbeiten als im Unternehmen.
Die heutige Informationstechnologie macht es möglich, daheim dasselbe zu erledigen wie im Büro, sogar im eigenen Tagesrhythmus. Es geht nicht mehr so sehr darum, wann und wo man seine Aufgaben am Tag erledigt, sondern dass man sie erledigt. Daher mein Plädoyer: Unsere Gesellschaft sollte sich das zutrauen, solche neuen Wege zu gehen. Derzeit gibt es tatsächlich einen Schub, den wir gut brauchen und nutzen können. Das macht uns auch international wettbewerbsfähiger. Was ich dabei erlebe: Bürgerinnen und Bürger sind durchaus bereit, diese Veränderung mitzutragen und mitzugestalten.
• Aber es muss doch auch einen Haken geben?
Na ja, die mobile Arbeitsweise ist natürlich anders als im Büro. Der Tag hat erst mal keine feste Struktur, und es gibt weniger direkten Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen. Die räumlichen Bedingungen zuhause sind vielleicht nicht optimal und man kann sich leichter ablenken. Das alles mag einen produktiven und gesunden Arbeitsalltag erschweren. Da braucht es Unterstützung durch den Arbeitgeber.
• Erleben Sie, dass Unternehmen ihre Beschäftigten da ausreichend im Blick haben?
Das beobachten wir schon, und wir beraten auch dabei. Es kommen natürlich ganz neue Themen auf: Kann ich die Arbeitsmittel daheim von der Steuer absetzen? Hat der Arbeitgeber meine Rahmenbedingungen im Blick? In vielen Firmen und Behörden wurden Homeoffice-Lösungen in diesem Frühjahr ziemlich flott eingeführt. Das hatte ja vor allem das Ziel, Infektionen zu vermeiden. Auf Dauer ist es wichtig, grundsätzlich Dienstvereinbarungen für solche Modelle zu schließen. Es müssen die Bedingungen für die Tätigkeit daheim formuliert werden, damit jeder weiß, was von ihm erwartet wird. Wieviel Prozent der Arbeitszeit können oder sollen im Homeoffice erledigt werden? Muss ich an bestimmten Tagen im Büro präsent sein, etwa um mit meinem Team zusammenkommen zu können? Was passiert mit meinen Überstunden? Das gilt es, vertraglich festzuhalten. Und das sollte auch nach zwei oder drei Jahren überprüft und gegebenenfalls nachjustiert werden.
• Haben Sie konkrete Anregungen für das Arbeiten daheim?
Unser Institut hat zehn Tipps zusammengestellt, die man auch auf der Homepage nachlesen kann. Da heißt es zum Beispiel: Planen Sie Ihren Arbeitsalltag und denken Sie an Ihre Pausen. Halten Sie Ihre Gesundheit und Motivation im Blick. Verlieren Sie nicht den Kontakt zu Ihren Kolleginnen und Kollegen und achten Sie auf Ihr Privatleben. Solche Hinweise können helfen, dass Homeoffice-Lösungen für alle Beteiligten zufriedenstellend funktionieren.
Als Christ finde ich, wir müssen uns alle gegenseitig gut im Blick behalten. Menschlichkeit und Menschenwürde müssen ganz vorn stehen, das sollten sich auch die Unternehmen auf die Fahne schreiben. Das betrifft allerdings nicht nur den Bereich der Erwerbsarbeit, sondern die Werte unserer Gesellschaft insgesamt.
• Zehn Tipps für das Arbeiten im Homeoffice: www.lia.nrw.de/themengebiete/Arbeitsschutz-und-Gesundheit/Homeoffice.