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Netzwerker der Kulturen

Brücken zwischen Zuwanderern und Einheimischen bauen – das ist der Job der Integrationsagenturen. Jetzt feiern sie zehnjähriges Bestehen. 32 der insgesamt 176 arbeiten in Nordrhein-Westfalen unter dem Dach der Diakonie RWL

Integrationsagentur – das klingt nach großem Team und professioneller Beratung in Sachen Migration. Doch wer hinter das imposante Türschild blickt, findet dort nur einen Mann: Sandro Di Maggio. Er ist „die Integrationsagentur“ im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis, der Region zwischen Wuppertal, Hagen und Bochum mit rund 270 000 Einwohnern. Von der Kreisstadt Schwelm aus soll er Vereine, Behörden, Kirchen, Schulen, Kitas und Initiativen vernetzen, die die Integration vor Ort gestalten.
„Ich bin ein Vermittler zwischen der Einwanderungs- und Aufnahmegesellschaft“, erklärt der Sozialwissenschaftler. Sandro Di Maggio weiß, wovon er spricht. Sein  Vater war italienischer Gastarbeiter, die Mutter ist Deutsche.

Jüngste Idee: Sportvereine für Flüchtlinge öffnen

Seit vier Jahren arbeitet der 37-Jährige für die Diakonie Mark-Ruhr in Schwelm. Ein „Café International“ und ein jährliches Folklorefest hat er initiiert. Das Projekt „Horizonte“ lädt Jugendliche unterschiedlicher Kulturen in Erzählcafés und Kunstworkshops ein. Seine jüngste Idee steht noch auf dem Flipchart im Büro: Sportvereine für Flüchtlinge öffnen.
Unter dem Dach der Diakonie RWL gibt es in NRW 32 Integrationsagenturen, insgesamt sind es 176. Alle werden von Wohlfahrtsverbänden getragen – und fast alle bestehen aus einer Person. Da sind Eigeninitiative, Kreativität und Organisationstalent gefragt. Aber auch der gute Draht zu anderen Migrationsexperten. „Ohne den Austausch mit unserem Migrationsdienst in Hagen und anderen Integrationsagenturen der Diakonie wäre es schwierig für mich“, gibt Sandro Di Maggio zu.
Sie unterstützen sich bei der Sozialraumanalyse, die jede Integrationsagentur jährlich verfassen muss, um festzustellen, welche Projekte gerade vor Ort dran sind. Sie reden über ihre Erfahrungen und beteiligen sich an Projekten der Kolleginnen und Kollegen.
Wenn es um interkulturelle Trainings geht, ist Sandro Di Maggio ein beliebter Ansprechpartner. Dazu bietet er häufig Workshops in Kirchen, Schulen oder bei Behörden an. Auch in der Ausbildung ehrenamtlicher Sprach- und Kulturmittler der Diakonie Mark-Ruhr engagiert er sich. Denn die Dolmetscher mit Migrationshintergrund werden überall in der Integrationsarbeit gebraucht. Und sind – genau wie Sandro Di Maggio – Brückenbauer zwischen den Kulturen.
„Beim Übersetzen geht es nicht nur um die Sprache, sondern auch um kulturelle Hintergründe, die ich erklären muss“, sagt Seker Talehe. Die 39-jährige Erzieherin spricht Kurdisch und Türkisch und begleitet derzeit viele kurdische Syrer. Ob beim Arzt, in der Ausländerbehörde, Jobcenter oder in der Kita – immer wieder erklärt sie, dass man in Deutschland einen Termin braucht, Formulare wichtig sind und für viele Medikamente ein Rezept nötig ist.
Madlena Sovaryan aus Armenien geht es ähnlich. Sie spricht Armenisch, Russisch und Englisch und sieht in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit auch eine Chance, ihre eigenen Deutschkenntnisse zu verbessern. „Ich möchte anderen bei der Integration helfen, denn ich weiß, wie schwer es ist, die deutsche Sprache und Kultur zu verstehen“, sagt sie. Die 39-jährige Englischlehrerin ist alleinerziehend und erst vor vier Jahren mit ihren drei Kindern aus Armenien nach Deutschland gekommen. „Zuwanderer brauchen nicht nur Sprachkurse, sondern auch eine kulturelle Orientierung von Anfang an. Das würde helfen, viele Missverständnisse und Vorurteile zu vermeiden.“
Auch mit Streitfällen setzen sich die Integrationsagenturen auseinander. Ihre jährliche Sozialraumanalyse soll dabei helfen, Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen oder dort, wo es sie bereits gibt, einzugreifen. „Viele Fachkräfte haben eine Ausbildung in interkultureller Mediation“, sagt Ioanna Zacharaki, die bei der Diakonie RWL für die Inte­grationsagenturen zuständig ist. Sie kümmert sich um die Finanzierung aus Landesmitteln, bietet Weiterbildungen und fachliche Beratung an.

Jede Agentur hat eigene Schwerpunkte

Jede Integrationsagentur hat eigene Schwerpunkte. Bei Sandro Di Maggio ist es die Interkulturelle Öffnung. Andere Integrationsagenturen, etwa bei der Diakonie Düsseldorf, sind sehr aktiv in der Antidiskriminierungsarbeit. Sozialraum­orientierte Arbeit spielt in Duisburg eine große Rolle, wo viele Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien leben. In Castrop-Rauxel dagegen unterstützt die Integrationsagentur des Kulturzentrums AGORA vor allem das bürgerschaftliche Engagement der Migrantenselbstorganisationen.
„Seit ihrer Gründung vor zehn Jahren haben die Integrationsagenturen viele Projekte angestoßen und Menschen unterschiedlicher Kulturen zusammengebracht“, freut sich Ioanna Zacharaki. Es gibt also Grund zu feiern. Aber durchaus noch offene Wünsche für die Zukunft. Sandro Di Maggio fällt sofort einer ein: „Es wäre schön, wenn über dem Klingelknopf der Integrationsagentur künftig nicht nur mein Name steht“, sagt er.