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Nachruf auf Tharwat Kades: Ein Leben für Frieden und Dialog

Der Deutschägypter Tharwat Kades übersetzte die Herrnhuter Losungen ins Arabische und brachte sie in Ägypten heraus. Ein Nachruf.

Tharwat Kades (1942-2025) beim Havelländischen Kirchentag im Land Brandenburg 2022
Tharwat Kades (1942-2025) beim Havelländischen Kirchentag im Land Brandenburg 2022Privat

Am 18. Februar starb im Alter von 83 Jahren der ägyptische Pfarrer der hessen-nassauischen Kirche, Professor Tharwat Kades. Schon diese Attribute sprechen für sich. Ägypter, Hesse, Pfarrer, Professor. Kades war ein Pendler zwischen den Welten, ein Brückenbauer zwischen Kontinenten, Ländern, Kulturen, Religionen, zwischen Pfarramt und Lehramt, wahrlich ein Tausend­sassa.

Die Nachricht von seinem Tod traf uns völlig überraschend. Am 17. Februar haben wir noch telefoniert. Ja, er war besorgt wegen der am nächsten Tag bevorstehenden Herzkatheter-Operation. Aber vor allem war er voller Ideen, voller Pläne. Wir planten unsere nächste Ägyptenreise im Juni – freilich „In­shallah“ (so Gott will), wie der fromme Kades zu sagen pflegte. Seine Frömmigkeit und seine anhaltende Aktivität bis ins hohe Alter haben mich tief beeindruckt, beschämt und angespornt. Und seine fast jugendliche Begeisterung für die Idee, dass Frieden möglich ist und dass Frieden Dialog braucht. Das war Kades‘ Lebensthema.

Tharwat Kades gründete in Kairo Akademie für Dialog der Weltreligionen

In seinem Fall betraf das nichts weniger als den Dialog zwischen den Weltreligionen. Als langjähriger Ökumene-Beauftragter der Nilsynode, der koptisch-protestantischen Kirche, hatte er in Kairo eine Dialog-Akademie gegründet, die sich dem interreligiösen Dialog verschrieben hat. Als wir ihn vor drei Jahren in Ägypten besuchten, war gerade Ramadan. Kades hatte ein abendliches Fastenbrechen (Iftar) organisiert, zu dem er Vertreter der monotheistischen Weltreligionen eingeladen hatte. Wir durften in dieser illustren Gesellschaft die ­lutherische Kirche vertreten und speisten gemeinsam unter anderem mit einem Imam der Al Azhar-­Moschee und mit dem Rektor der Al-Azhar-Universität.

Wenn die Stadt Frankfurt am Main heutzutage den Muslimen mit „Happy Ramadan“ zum Fasten­monat gratuliert, dann ist das auch Kades‘ Verdienst. Auch im Kleinen war er wirksam, betreute und förderte unsere ökumenische Partnerschaft mit den Gemeinden der protestantischen Nilsynode und war sich für keine Kleinigkeit zu schade, ob es die Hilfe beim Buchen von Tickets oder die Überbringung von Weihnachtsgeschenken war.

Kades übersetzte Herrnhuter Losungen ins Arabische

Vor allem aber spielte Kades den Kultur- und Seelenvermittler. Als Deutschägypter erklärt er den Ägyptern die deutsche Seele und den Deutschen die ägyptische. Diese Fähigkeit des interkulturellen Vermittelns bewährte sich auch bei seinem „Losungsprojekt“. Seit vielen Jahren übersetzt Kades die Herrnhuter Losungen und bringt sie auf Arabisch heraus.

Schließlich betätigte sich der fünffache Groß­vater als Mittler zwischen den Generationen. So hat er beispielsweise 2023 einen Jugendaustausch zwischen Jugendlichen aus Ägypten und Deutschland, aus den Kirchenkreisen Falkensee und Nauen-Rathenow, angeschoben. Letztes Jahr statteten uns die ägyptischen Jugendlichen einen Gegenbesuch ab. Tharwat immer mittenmang.

Ich habe mich oft gefragt: Liegt diese Neigung zum Vermitteln auch in der Lage Ägyptens und im Wesen der Ägypter begründet? Schon in der Bibel spielt Ägypten ja meist eine positive Rolle. Joseph, der von seinen eifersüchtigen Brüdern nach Ägypten verkauft wurde, kam dort groß raus und stieg zum Ernährungsminister auf. Volksheld Mose soll selbst ein ägyptischer Prinz
gewesen sein. Noch später erhielt der kleine Jesus mit seinen Eltern Asyl in Ägypten vor den Nach­stellungen des Königs Herodes. Auch heute spielt Ägypten im Nahostkonflikt eine wohltuend mäßigende und vermittelnde Rolle. Vielleicht liegt das auch an der Mittellage Ägyptens zwischen Afrika und Europa, zwischen der arabischen und der westlichen Welt.

Tharwat Kades hat den Frieden zwischen Völkern gefördert

Bei unserem Deutsch-Ägypter Tharwat Kades kam noch eines dazu: Sein Verständnis der Botschaft Jesu, die er so zusammenfasste: „Friede sei mit Euch!“ Oder auf Arabisch: „Salam aleikum!“ Den Frieden zwischen den Völkern und Religionen, den er so gefördert und dem er sein Leben gewidmet hat, gerade auch im Nahen Osten, hat er selbst nicht mehr erlebt. Dafür ist er jetzt in den himmlischen Frieden eingegangen, wo er mit eigenen Augen sehen wird, was die Tageslosung für den 18. Februar verheißt: „Du wirst erfahren, dass ich der Herr bin, an dem nicht zuschanden werden, die auf mich harren“ (Jesaja 49,23).

Übrigens: Wir hatten dem bekennenden Fußballfan Tharwat Kades zu seinem 60-jährigen Ordinationsjubiläum im März 2024 einen Fußball mitgebacht, einen von Union Berlin, weil der so schön bunt und so schön rund ist und weil Union Einheit heißt.

Pfarrer Bernhard Schmidt ist Vorsitzender der Kollegialen Leitung im Kirchenkreis Falkensee in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO)