Sie streikten für höhere Löhne. Dann raste ein Auto in ihren Demonstrationszug und verletzte 30 Menschen. Mitten in München. Nun müssen erste Angaben zum Tatverdächtigen von Staatsregierung und Polizei korrigiert werden.
Nach dem mutmaßlichen Anschlag auf einen Demonstrationszug in München haben Ermittler erste Angaben zum Tatverdächtigen korrigiert. Der Festgenommene, ein 24-jähriger Afghane, war demnach weder ausreisepflichtig noch vorbestraft. Zunächst hatte es geheißen, es handle sich um einen abgelehnten und ausreisepflichtigen Asylbewerber, der im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln und Ladendiebstählen polizeibekannt gewesen sei.
Nach Informationen der “Süddeutschen Zeitung” (Freitag) ist der Mann den Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern bisher nicht als Extremist aufgefallen. Geprüft würden jedoch seine Social-Media-Aktivitäten auf eine islamistische Gesinnung. Die Ermittlungen führt die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus bei der Münchner Generalstaatsanwaltschaft.
Der Mann hatte am Donnerstagvormittag mit einem Pkw in der Münchner Innenstadt eine Gruppe Streikender erfasst und dabei 30 Menschen zum Teil schwer verletzt.
Nur drei Wochen nach dem Messerangriff in Aschaffenburg und acht Wochen nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg heizte die neuerliche Gewalttat im öffentlichen Raum die Debatte um Migrationspolitik und innere Sicherheit an.
Zwei Stunden nach dem Vorfall sprach Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz am Tatort davon, der Autofahrer sei als Minderjähriger nach Deutschland eingereist und sein Asylantrag sei abgelehnt worden. Inzwischen steht fest, dass er eine Ausbildung machte und über eine gültige Aufenthaltserlaubnis verfügt.
Polizeibekannt war er demnach auch nicht, weil er etwa selbst straffällig geworden wäre. Vielmehr war er als früherer Ladendetektiv Zeuge in entsprechenden Ermittlungsverfahren.
Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Tat und der am heutigen Freitag beginnenden Münchner Sicherheitskonferenz sind bisher nicht bekannt. Wegen dieser brisanten Zusammenkunft mit hochkarätigen internationalen Gästen hat die Polizei ihre Präsenz in der Innenstadt schon vor Tagen erhöht. Auch der Demonstrationszug der Gewerkschaft Verdi wurde von Sicherheitskräften begleitet. Laut Polizei überholte der Festgenommene erst einen Streifenwagen, beschleunigte dann und erfasste den Zug auf dem Weg zum Königsplatz in der Seidlstraße von hinten.
Vertreter von Kirchen, Gewerkschaften, Politik und Zivilgesellschaft äußerten sich bestürzt und wünschten, dass alle Opfer wieder gesund werden. Den Einsatzkräften dankten sie für ihren beherzten Einsatz. Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) legten am Abend Kränze am Tatort nieder. Am Freitagvormittag will Reiter mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Ministerpräsident Söder zum stillen Gedenken am Tatort zusammenkommen.
Noch am Donnerstagabend versammelten sich am Odeonsplatz nach Angaben von Verdi 5.000 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung, um ihrer Trauer und Fassungslosigkeit Ausdruck zu verleihen. Arif Haidary vom Münchner Migrationsbeirat appellierte an Politik und Medien, einzelne Taten nicht zu verallgemeinern und für Wahlkampfzwecke zu instrumentalisieren. Als gebürtiger Afghane betonte er, dass Afghanen in Afghanistan wie auch in Deutschland das Attentat verurteilten und mit den Betroffenen trauerten.