Der russische Journalist und Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow hat ein düsteres Bild der Lage für Medienschaffende in seiner Heimat gezeichnet. Die Geschichte des unabhängigen Journalismus in dem autoritär regierten Land sei vorbei, sagte der Gründer der in Russland verbotenen kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ zum Auftakt der 1. Hamburger Woche der Pressefreiheit am Montag. 664 Journalisten und Politiker seien als ausländische Agenten eingestuft worden, Dutzende Redaktionen seien ausgewandert.
Er könne nur das berichten, was er auch in Moskau sagen dürfe, sagte Muratow. „In Moskau kann ich über nichts mehr erzählen. Deswegen ist es umsonst, dass Sie mich eingeladen haben.“ Der Friedensnobelpreisträger lebt in Russland und reist wieder dorthin zurück. Er präsentierte ein Foto, das seine nach einem Angriff stark verletzte Kollegin Jelena Milaschina zeigt, und forderte von den russischen Behörden Aufklärung.
Der Chefredakteur der „Thüringer Allgemeinen“, Jan Hollitzer, sieht die Pressefreiheit auch in Deutschland zunehmend unter Druck. Journalisten seiner Zeitung würden mittlerweile persönlich angeschrieben und beschimpft, ein Reporter sei sogar körperlich angegriffen worden, sagte Hollitzer: „Das sind nicht mehr nur ein paar Wenige, die laut schreien.“ Die Skepsis gegenüber den Medien sei „ein bisschen in die Mitte der Gesellschaft gewandert“.
Huberta von Voss, Journalistin und Wissenschaftlerin vom Institute for Strategic Dialogue in Berlin, sagte, in sozialen Medien nutzten Gruppen mit extremen Meinungen die Pressefreiheit, um Menschen zu radikalisieren. Sie posteten Beiträge, die die Angst der Menschen ansprächen. Diese zögen hohe Aufmerksamkeit auf sich – mit der Folge, dass Algorithmen den Nutzenden fortlaufend ähnliche Inhalte vorschlügen. Das neue EU-Rahmengesetz für digitale Dienste solle den Gefahren entgegenwirken. „Damit bekommen wir einen besseren Einblick in die Baupläne der Algorithmen und können sie auf den Prüfstand stellen“, sagte Voss.
Unter dem Motto „Freiheit für die Wahrheit“ findet die 1. Hamburger Woche der Pressefreiheit bis zum 16. September statt. Initiiert haben die Woche die Körber-Stiftung sowie die Zeit-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.