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“Mitarbeitermangel in allen Bereichen”

Kommunen, die zunehmend ohne Gastronomie auskommen müssen, drastisch reduzierte Öffnungszeiten von Restaurants, Biergärten und Cafés und diesen Sommer allein in Stuttgart fast 200 offene Stellen in Hotellerie und Gastronomie – der Fachkräftemangel ist beängstigend. „Fast alle suchen händeringend Unterstützung“, sagt Hartmut Zacher von der Gastronomie-Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG).

Dieser Trend wirkt sich auch auf die Arbeit kirchlich-diakonischer Einrichtungen aus. „Wir spüren den Mitarbeitermangel in allen Bereichen – Küche, Reinigung, Büro. Auch Azubis und Freiwillige fehlen“, klagt Wilfried Häfele, Geschäftsführer des Evangelischen Bauernwerks in Württemberg, das die Ländliche Heimvolkshochschule Hohebuch in Waldenburg betreibt. Enttäuscht von der Politik holt er jetzt zwei junge Männer aus Marokko nach Hohebuch, die sich zum Bürokaufmann und zum Hauswirtschafter ausbilden lassen.

„Wir hatten im vergangenen Jahr und zu Beginn des Jahres erhebliche Probleme, die auch existenzbedrohend waren. Wir mussten unsere Öffnungszeiten deutlich reduzieren“, berichtet Albrecht Schwerer vom Hofgut Himmelreich der badischen Landeskirche. Eine teure Personalrecruitingmaßnahme durch einen externen Dienstleister brachte Erfolg.

Das Hotel und Restaurant mit Akademie hat inzwischen genügend Kräfte in Küche und Service. „Profitiert haben wir von unserem Bekanntheitsgrad als Inklusionsunternehmen – 40 Prozent der Belegschaft haben eine Schwerbehinderung -, da sich viele Fachkräfte einen humaneren und wertschätzenden Arbeitsplatz wünschen. Wir leben Inklusion und Diversität“, so der Geschäftsführer. Durch gestiegene Kosten für Energie, Materialien und auch Löhne stehe das Unternehmen aber unter hohem Druck.

18 freie Stellen haben die vier evangelischen Tagungshäuser der württembergischen Landeskirche – Bernhäuser Forst, Stift Urach, Bad Boll und Stuttgart-Birkach – derzeit zu bieten, so die Auskunft der Vorstandsvorsitzenden Cordula Waldeck. Nicht nur Fachkräfte, sondern auch Kräfte für einfache Arbeiten, etwa als Küchenhilfe oder in der Reinigung, seien gefragt. Auch Azubis könnte man noch gut gebrauchen – neben zukünftigen Hauswirtschafterinnen gerne junge Leute, die Koch oder Hotelfachfrau werden wollen. Dabei sei die Bezahlung nach öffentlichem Diensttarif durchaus vorteilhaft – gegenüber dem Gaststättentarif um bis zu 30 Prozent mehr.

„Die Mitarbeitenden sind sehr flexibel und helfen sich gegenseitig zwischen den verschiedenen Häusern und Abteilungen aus, wenn es irgendwo eng wird“, erläutert Waldeck. Neben dem Vorteil, den der Zusammenschluss im Dachverband bietet, ist auch die räumliche Nähe der vier Einrichtungen, die in und um Stuttgart angesiedelt sind, praktisch. Für die Reinigung habe man inzwischen einen externen Dienstleister. Wo nötig, würden die Öffnungszeiten an den Rezeptionen gekürzt. Und notfalls müssten sich die Gäste in der Kaffeepause auch mal selbst bedienen.

Dass Gäste beim Tischdecken mitanpacken, gehört im CVJM-Zentrum Walddorf bei Reutlingen dazu. Eine Auszeit in dem relativ einfach eingerichteten Haus am Rande des Schönbuchs ist auch für den kleinen Geldbeutel zu haben. „Wir sind seit längerem auf der Suche nach Mitarbeitenden in der Hauswirtschaft und hatten leider bisher kein Glück. Daher greifen wir ab und an auf Ehrenamtliche zurück, die mit unserem Haus verbunden sind“, sagt Verwaltungsleiter Marcel Burghardt.

Im christlichen Gästezentrum Schönblick in Schwäbisch Gmünd habe sich der Fachkräftemangel im Laufe des Jahres etwas entschärft, erklärt dessen Leiter Martin Scheuermann. Seit der Landesgartenschau 2014, die vom Schönblick mitgestaltet wurde, kann der Betrieb regelmäßig auf unterstützende Ehrenamtliche zählen. Auch Ferienjobber helfen. Glücklich ist Scheuermann über den diesjährigen Rekord von fünf neuen Azubis in der Hauswirtschaft. Jährlich investiert der Schönblick in über 30 junge Menschen, die während ihres Freiwilligendienstes Gemeinschaft und persönliche Förderung erleben. Manche entscheiden sich danach für eine Ausbildung im Gästezentrum.

„Generell sind wir nach Corona beschenkt. Für die offenen Stellen haben wir tolle Mitarbeitende gefunden, die sich mit Leidenschaft einbringen“, ist Eric Bayer von der Geschäftsleitung der Christlichen Gästehäuser Monbachtal (Bad Liebenzell) dankbar. Mit Gottvertrauen sieht er in die Zukunft. Und weiß, dass es noch einiges an Hausaufgaben zu machen gilt: Prozesse überarbeiten, Digitalisierung, Technik. (2361/04.10.2023)