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Mit Stäblein hingeschaut: Am Limit

Bischof Christian Stäblein schaut regelmäßig in seiner Kolumne der Kirchenzeitung für Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (EKBO) hin. Diesmal geht es um Grenzerfahrungen.

Grenze mit Stacheldraht
Grenze mit StacheldrahtIMAGO / photosteinmaurer.com

An der Grenze Am Limit, hören wir, sind viele Kommunen bei der Aufnahme Geflüchteter angekommen. Es ist wichtig, dass das gesagt wird, diese Hilferufe müssen wir unbedingt hören. Niemand soll so tun, als sei das nicht eine fordernde Aufgabe: Menschen aufzunehmen, die in großer Not und in großer Zahl zu uns kommen. Das führt oft an Grenzen. Ich bin dankbar und beeindruckt, wie viel und wie gut Kirchengemeinden und Kirchenkreise das geschafft haben und anhaltend machen: Wohnungssuche, Unterstützung bei Verfahren und Formularen, Begleitung von Traumatisierungen – all das erfordert Kraft.

Menschen sind am Limit

Menschen sind da oft am Limit, gehen mehr als einmal über ihre Grenzen hinaus. Ich kann mich gut erinnern, wie zu Beginn des Überfalls Russlands auf die Ukraine viele, die über Nacht die Kirchen zu Aufnahmestellen gemacht haben, das getan haben, obwohl sie von der Pandemie erschöpft waren. Was können wir anderes tun als helfen, haben sie gesagt. Und getan. Die da gekommen sind, kommen ja, weil sie weit über jedes Limit sind, in schrecklichster Weise von Bomben und Drohnen bedroht. Am Limit ist kein guter Dauer – zustand, auch das wissen wir alle. Es braucht dann neue Wege. Es braucht vernünftiges Miteinander, überlegen, investieren, achten, dass Schwache nicht auf Kosten anderer Schwacher verdrängt werden, gerade das gilt es besonders zu beachten.

Nicht die Sprache und Menschlichkeit verlieren

Über all das muss gesprochen werden. Allerdings so, dass nicht die, die sowieso schon an der Grenze sind, zum Problem gestempelt werden. Dann sind auf einmal Geflüchtete nur noch Last, nur noch Zahlen, keine Menschen mehr. Das ist schrecklich. Ich bin nicht der bessere Politiker, womöglich muss sich ja manche Regelung ändern in unserer Flüchtlingspolitik. Aber wenn wir unsere Sprache verlieren, wenn wir den Menschen so ihre Würde nehmen, verlieren wir unsere Menschlichkeit. Sie rutscht unter jedes Limit. Am Limit – also wörtlich:

Gott ist da, wo das Limit ist

An der Grenze treffen wir Gott. Er hat sich schon immer da aufgehalten, wo Menschen ans Limit kommen. Mit dem fliehenden Erzvater Jakob ins Nirgendwo. Ausgerechnet da öffnet Gott den Himmel in der Nacht und lässt Engel rauf und runter steigen. Sie bilden eine Leiter der Hoffnung, der Zuflucht. Am Limit ist Gott zu treffen. Das ist noch nicht die Lösung für alles. Aber Gott hält an der Grenze mit aus. Und auszuhalten gilt es jetzt. Nicht die einfachen Lösungen und die einfachen Schuldigen suchen. In Gottes Namen miteinander Leitern finden, dafür gibt es keine Grenze.