Es ist nicht leicht, der Wahrheit ins Auge zu schauen. Doch das Beispiel des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder zeigt, das Jugendverbände sich dem Thema sexualisierte Gewalt stellen müssen.
Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat die Bereitschaft des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) gewürdigt, sexuelle Gewalt in den eigenen Reihen aufklären zu wollen. Anlass waren die am Donnerstag in München vorgestellten Ergebnisse einer Untersuchung zu diesem Thema. So hatten das Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) und das Berliner “Dissens – Institut für Bildung und Forschung” in dem deutschen Verband für den Zeitraum von 1976 bis 2006 mindestens 103 Betroffene sexualisierter Gewalt ermittelt. Der Taten beschuldigt werden 36 überwiegend männliche Personen.
Als einer der ersten Jugendverbände habe der BdP mit der Untersuchung ein Signal gesetzt, das Vorbild für andere sein sollte, erklärte Claus am Donnerstag in Berlin. Die Studie zeige, wie Machtgefälle, Rangordnungen und falsch verstandene Loyalitäten in Jugendverbänden besonders auch von sehr jungen Tätern ausgenutzt worden seien. Diese Loyalität habe die Aufarbeitung bei den Pfadfindern bis heute erschwert. Die besondere Vertrautheit bei Ausflügen und Fahrten oder in Zeltlagern, gekoppelt mit einem großen Machtgefälle und spezifischen Gruppenritualen und Gruppenzwängen, hätten ein oft undurchschaubares Klima von Nähe, Angst und Übergriff geschaffen.