Eigentlich geht es im Pfarramt immer um die anderen: Zuhören, Mitgehen, Trösten und Begleiten – das alles tun Pfarrer*innen täglich. Doch wie ist es um uns selbst bestellt? Haben wir alles, was wir für eine gute Begleitung anderer brauchen? Meine Wahrnehmung nach über 20 Jahren im Pfarrdienst ist: Es mangelt keineswegs an Professionalität. Wir Pfarrer*innen „können“ Seelsorge, wenn es um andere geht. Wenn es aber um uns selbst geht, fällt es vielen von uns bedeutend schwerer, Grenzen zu setzen.
Mein Dienst als Pfarrerin an anderen Menschen ist mir in meiner Ordination aufgetragen und gilt, solange ich im Dienst stehe. Dieses Verständnis zeichnet uns Pfarrer*innen aus und führt nicht zuletzt dazu, dass bei aller Kritik an der Kirche als Institution die Pfarrerschaft bei vielen Menschen immer noch großes Vertrauen genießt. Insofern ist es aus meiner Sicht eine Kernaufgabe von Kirchenleitung, die seelische Gesundheit von Pfarrer*innen im Blick zu behalten. Wichtige Instrumente dafür sind regelmäßige Supervision, das Wahrnehmen von Seelsorge und das Achten auf die Arbeitsumstände im Pfarrdienst.
Kirche: Vereinbarungen für begrenzte Arbeitszeiten
Es hat sich inzwischen durchgesetzt, auch im Pfarrdienst von Arbeitszeiten zu sprechen und diese mit Zahlen zu unterlegen. Ging man vor 20 Jahren noch mit 54 Wochenstunden in den Pfarrdienst der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, so sind daraus inzwischen 40 Wochenstunden geworden. Mit dem Instrument der Dienstvereinbarung wird der Pfarrdienst in unserer Landeskirche gestaltet und jede Pfarrperson hat Anspruch darauf, dass eine Dienstvereinbarung erstellt wird.
Es gibt also ein sehr gutes Instrument, das aber noch nicht flächendeckend umgesetzt wird. Das liegt oft daran, dass mit der Dienstvereinbarung auch ein Kulturwandel einhergeht, den viele nicht mitvollziehen: Pfarrer*innen fragen sich, wie sie denn ihren Dienst in Wochenstunden aufteilen sollen und Gemeindeglieder fremdeln mit der Vorstellung, dass Pfarrer*innen einen ganz normalen Arbeitstag haben mit Feierabend und Nichterreichbarkeit. Nimmt es dem Pfarrdienst nicht ein großes Stück Freiheit, Kreativität und Unverfügbarkeit, wenn man Arbeitszeiten erfasst, Dienste aufschlüsselt und wie im Krankenhaus aufschreibt, wie viel Zeit man mit dem „Patienten“ verbracht hat? Arbeit mit Menschen – das lässt sich doch nicht quantifizieren.
Work-Life-Balance und nicht im Burnout landen
Aber genauso gilt: Die eigene Kraft ist eben spürbar endlich und braucht einen Rahmen. Ganz zu schweigen davon, dass da noch die Familie ist, die Freundschaften gepflegt werden wollen und vielleicht sogar ein besonderes Hobby Zeit braucht. Das alles steht im Raum und wir handeln es an vielen Orten in unserer Landeskirche gerade konkret aus. Eine junge Generation von Theolog*innen drängt auf Work-Life-Balance, Ältere wollen wohlbehalten bis zum Ruhestand kommen und kein Gemeindeglied wünscht sich Seelsorger*innen, die im Burnout landen.
Als Vorsitzende der Pfarrvertretung und Verbandsvorstandsmitglied sehe ich, dass wir in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz schon sehr weit gekommen sind und von uns viele Impulse in andere Landeskirchen gehen. Ich hoffe, dass wir das weiter im Blick behalten in den vor uns liegenden Transformationsprozessen in Kirche und Gesellschaft.
Susanne Seehaus ist Pfarrerin in der Emmaus-Kirchengemeinde Berlin und Vorsitzende der Pfarrvertretung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Zudem ist sie Mitglied im Vorstand des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V.
Veranstaltungstipp
Auftaktveranstaltung der Woche der Seelischen Gesundheit in Berlin am Donnerstag, 10. Oktober, 17.30–20 Uhr, Kulturzentrum Pfefferberg, Haus 13, Schönhauser Allee 176, Berlin-Prenzlauer Berg. Mit einem Impulsvortrag zum Thema „Gesunde Arbeit“ von Professorin Steffi Riedel-Heller, Leiterin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health am Universitätsklinikum Leipzig, Ein Experten-Runde diskutiert zum Thema „Arbeit und Psyche” mit anschließender Fragerunde aus dem Publikum.