Die Regelblutung von Mädchen und Frauen ist weltweit noch immer tabuisiert – auch in Deutschland. Der Mit-Initiator des Menstruationstags am 28. Mai, Thorsten Kiefer, sieht Aufklärungsbedarf.
Der Internationale Tag für Menstruationshygiene am 28. Mai feiert dieses Jahr sein zehnjähriges Bestehen – und hat nach Angaben des Mit-Initiators Thorsten Kiefer einiges bewegt. “Menstruation ist ein gesellschaftliches Thema geworden”, sagt der Geschäftsführer von WASH United im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). WASH United ist eigenen Angaben zufolge eine Mischung aus Non-Profit-Organisation und Kreativagentur mit Sitz in Berlin. Allerdings gebe es immer noch genug zu tun, um Stigmata und Tabus rund um die Periode zu brechen, fügt Kiefer hinzu. Diese hätten oft einen religiösen Ursprung.
Habe es im Gründungsjahr 2014 weltweit noch 89 Medienberichte zum Menstruationstag gegeben, seien es vergangenes Jahr rund 17.800 Beiträge gewesen. Das zeige, dass das Thema gesellschaftlich relevant geworden sei, was wiederum helfe, die Menstruation zu enttabuisieren. WASH United arbeitet laut Kiefer zum Menstruationstag mit weltweit mehr als tausend Partnerorganisationen zusammen, die beispielsweise Aufklärungsaktionen starten oder einen leichteren Zugang zu Periodenprodukten fordern. Sie finden in Deutschland genauso statt wie in Indien oder Liberia in Westafrika.
Besonders junge Menschen würden das Thema vorantreiben, etwa über Soziale Netzwerke, berichtet Kiefer. Und zwar auch in Regionen, in denen die Periode noch zu starker gesellschaftlicher Ausgrenzung führt. “Mehr als 50 Prozent der Social-Media-Beiträge zum Menstruationstag kamen vergangenes Jahr aus Sub-Sahara”, sagt der Geschäftsführer.
Ihm zufolge hat die Tabuisierung der Periode viel mit Religion zu tun. “Sie spielt eine riesige Rolle”, sagt Kiefer. Ob in der Bibel, im Talmud oder im Koran – die Menstruation werde in nahezu allen religiösen Schriften stigmatisiert und habe sich so in gesellschaftliche Normen übersetzt.
Im Alten Testament der Bibel heißt es etwa, eine Frau mit Blutfluss sei sieben Tage lang unrein; auch der, der sie berühre, sei unrein. Im Islam ist es Frauen, die ihre Periode haben, teilweise nicht erlaubt, eine Moschee zu betreten oder zu beten; im Hinduismus dürfen Frauen während ihrer Menstruation keinen Tempel besuchen. In vielen Teilen der Welt können sich Mädchen und Frauen Periodenprodukte zudem nicht leisten; die Periode hindert sie teils an einem Schulbesuch.
Geschäftsführer Kiefer hat vor der Gründung von WASH United beim evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt gearbeitet und dort die Lobbyarbeit für die Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung verantwortet. In dieser Funktion habe er in Indien wahrgenommen, dass mehr noch als das Thema Toiletten die Menstruation ein Tabu sei: “Das Krasseste von allen”, betont er. Junge Mädchen würden beispielsweise nicht aufgeklärt und so nichtsahnend ihre erste Periode bekommen. “Manche denken, sie müssen sterben”, berichtet Kiefer.
Wichtige Ziele des Kampagnen-Tags seien, dass Menstruationsgesundheit und -hygiene künftig stärker in Strategien von Regierungen, Stiftungen und UN-Organisationen integriert würden, messbare Ziele definiert und mit entsprechenden finanziellen Budgets hinterlegt werden würden, erklärt Kiefer. “Es muss ein vollwertiges Thema werden, wie der Kampf gegen Genitalverstümmelung oder die Förderung sexueller und reproduktiver Gesundheit.”
Der Geschäftsführer ist überzeugt, dass die lösbaren Herausforderungen der Menstruationsgesundheit dann tatsächlich lösbar seien. Die weibliche Periode müsse weltweit endlich als “Zeichen guter Gesundheit” gesehen werden, die Mädchen und Frauen nicht daran hindern dürfe, ihr volles Potenzial auszuschöpfen, so Kiefer. Allerdings gebe es für eine periodenfreundliche Welt noch viel zu tun – nicht zuletzt in Deutschland.
“20 Prozent der Mädchen in Deutschland wissen nicht, was passiert, wenn sie zum ersten Mal ihre Tage bekommen”, sagte Kiefer. Unter anderem lasse die Aufklärung über die Menstruation in der Schule noch sehr zu wünschen übrig.
Für mehr als zehn Prozent der menstruierenden Menschen sei es zudem schwierig, sich Produkte wie Binden oder Tampons in ausreichendem Maße leisten zu können. “Auch weil sie für viele zu teuer sind, nutzen sie sie länger, als sie sollten – und nehmen dadurch Infektionen in Kauf.” In öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Schwimmbädern oder Bibliotheken müssten Tampons und Co. deshalb kostenlos angeboten werden, fordert er. “Das würde viel bei Mädchen und Frauen auslösen.”