Artikel teilen:

Menschen leiden unter zu hohen Erwartungen ans Leben

Berlin – Der moderne Mensch leidet nach Ansicht des Philosophen Wilhelm Schmid daran, dass er ein Leben wie im Paradies anstrebt. „Die Möglichkeit, sich eine Welt zu erträumen, die nichts Menschliches mehr an sich hat, führt automatisch dazu, dass der Mensch an der Gegenwart leidet“, sagte der 65-Jährige dem Magazin „zeitzeichen“ (August-Ausgabe). „Wir erhöhen das Leidenspotenzial, das durch das menschliche Leben schon groß genug ist, durch die Erwartungen eines Paradieses ins Unermessliche.“ Schmid ist durch Bücher zum Thema Glück und Lebenskunst bekanntgeworden.
Er rät dazu, sich erst keine paradiesischen Vorstellungen zu machen. Auch wenn die Menschen beispielsweise oft von einer perfekten Liebesbeziehung träumten, sei es besser zu akzeptieren, dass eine Beziehung „von dieser Welt“ sei. Eine Partnerschaft birgt laut Schmid zwangsläufig Streit und Konflikte. Wer diese negativen Momente schon vor der Beziehung erwarte, verringere sein Leidenspotenzial, erklärte der in Berlin lebende Philosoph. Selbstverständlich solle es in einer Partnerschaft aber auch Erfolg, Lust, Spaß und Freude geben. Der negative Teil der Beziehung dürfe allerdings nicht ausgeschaltet werden.
Dass die Vorstellung eines Paradieses unrealistisch ist, erfahre jeder Mensch bereits im Urlaub. „Nicht die ganze Urlaubszeit herrscht Harmonie“, so der Philosoph. Der Traum von einem Leben ohne Negativem sei eine uralte Erfindung. In der Vergangenheit sei die Paradiesvorstellung allerdings meist nicht auf die reale Welt bezogen worden, erklärte Schmid. epd