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Mediziner: Schlaf wird schlechter – Rechtzeitig Hilfe suchen

Stress und Umweltfaktoren bereiten vielen Menschen buchstäblich schlaflose Nächte: Das beobachten Schlafmediziner. Die durchschnittliche Schlafdauer habe in den vergangenen zwei Jahren abgenommen, sagte Ingo Fietze am Montag in Berlin. Er leitet das Interdisziplinäre Schlafmedizinische Zentrum an der Berliner Charite und ist Ko-Präsident der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, die am Donnerstag in der Hauptstadt beginnt.

Fietze bezog sich auf eine neue Studie des Tech-Konzerns Samsung, der die Daten von Schlaftrackern ausgewertet hatte. Demnach habe sich die Schlafzeit um vier Minuten verkürzt und liege nun bei durchschnittlich sechs Stunden und 59 Minuten pro Nacht. Sechs Stunden gelten als Minimum für gesunden Schlaf, empfohlen werden sieben, acht gelten als ideal. “Die Verkürzung hängt nicht damit zusammen, dass die Menschen später ins Bett gehen oder früher aufstehen – sondern mit mehr Wachzeit im Schlaf”, erläuterte der Experte.

Künftig rechnen Fachleute mit steigendem Bedarf an schlafmedizinischer Unterstützung. Schon jetzt sei Insomnie eine der häufigsten psychischen Erkrankungen nach Angststörungen und Depressionen, sagte die Psychologin und Chefärztin der Nürnberger CuraMed-Tagesklinik, Kneginja Richter. Durch verbreitete Vorurteile scheuten sich viele Menschen jedoch, offen darüber zu sprechen.

Insomnie bezeichnet eine krankhafte Schlafstörung: Betroffene haben Schwierigkeiten beim Ein- oder Durchschlafen oder beim Aufwachen, und sie leiden unter dauerhaft schlechter Schlafqualität, die auch am Folgetag für Einschränkungen sorgt. Häufig seien Schlafstörungen auch Vorboten einer psychiatrischen Diagnose, mahnte Richter: “Wenn wir rechtzeitig darauf achten, können wir klinischen Depressionen und Gedächtnisstörungen bis hin zur Demenz vorbeugen.”

Insomnie lasse sich gut behandeln, etwa durch Kurzzeit-Psychotherapie oder neuartige Medikamente. Auch Unternehmen sollten Schlafgesundheit fördern, insbesondere bei Schichtarbeiterinnen und -arbeitern. Wer erste Anzeichen bemerke, dem könnten auch Entspannungsübungen helfen, so Fietze. Allerdings: “Menschen mit einer chronischen, schweren Insomnie braucht man keine Tipps für Schlafhygiene zu geben, die haben meist schon alles ausprobiert.”